Across the Great Wall

Während vom 4. bis 20. Februar in Peking die Olympischen Winterspiele ausgetragen werden, erzählen zwei Berliner täglich, was sie sehen und was ihnen dabei durch den Kopf geht. Sebastian Wells macht Bilder in Peking. Lars Spannagel kommentiert aus Berlin.

  • Einmal Delta und zurück

    Ich sitze gerade im Zug, als ich den ersten Text für diesen Blog schreibe. Nicht in der Transsibirischen Eisenbahn auf dem Weg nach Peking, sondern in der Belgischen Bahn nach Kortrijk, die sogleich in Roeselare Halt machen wird. Von dort nehme ich den Bus Nummer 6, fahre noch weitere 20 Minuten und sollte dann am Ende jener für nicht viel mehr als Bier bekannten belgischen Kleinstadt angelangt sein. Dort befindet sich, laut belgischem Sportjournalistenverband, die einzige von der chinesischen Botschaft beglaubigte PCR-Teststelle in Belgien in einem Krankenhaus, das schon vor Corona Delta hieß. In meinem Zugabteil habe ich sämtliche Fenster geöffnet, um jedes doch noch verbleibende Coronavirus-Partikel auf die weiten, mit Raureif belegten Felder zu entlassen. Als die Schaffnerin kommt, um mich zu kontrollieren, bietet sie mir an, in den nächsten Wagen zu gehen. Da würde die Heizung besser funktionieren. Ich lehne dankend ab.

    Vorgartenbepflanzung des Krankenhauses “Delta” in Roeselare, Belgien.

    Ich kann nicht sagen, ob ich mich auf die Winterspiele freue. Seit einigen Tagen fühle ich mich etwas erschöpft. Mehrmals war ich kurz davor, diese überteuerte Reise nach Peking abzusagen. Erst ging mein Telefon kaputt, dann ertränkte ich meinen Laptop in Tee, dann wurde mein Flug nach Peking abgesagt und letztlich doch nur umgebucht. Gleich wird ein Wattestäbchen in meiner Nase stecken. Findet es nichts, dann gibt es kein zurück mehr.

    Auch nicht für diesen Blog, an dessen Berliner Ende Lars sitzt und beobachtet, was aus dem Raumschiff Olympia über die “große Mauer” schwappt.

    Vor vier Jahren, bei den letzten Winterspielen, sind diese Bilder entstanden. Damals liefen Nord- und Südkorea unter gemeinsamer Flagge ins Stadion von Pyeongchang. Man munkelte, Thomas Bach könnte den Friedensnobelpreis gewinnen. Es blieb dann doch nur beim Munkeln.

    Pyeongchang, Südkorea, 18.02.2018: Skispringen Training von der Großschanze im Alpensia Ski Jumping Center.
    Pyeongchang, Südkorea, 25.02.2018: Cheerleader aus Nordkorea bei der Abschlussfeier im Olympiastadion Pyeongchang.
    Pyeongchang, Südkorea, 18.02.2018: Bäume werden vom Flutlicht angestrahlt beim Skispringen von der Großschanze im Alpensia Ski Jumping Center.
    Gangneung, Südkorea, 23.02.2018: Ein junger Fan aus Russland beim Halbfinale im Eishockey zwischen Deutschland und Kanada in der Gangneung Hockey Arena.

    Was werde ich diesmal sehen? Sind es andere Bilder, so wie Lars sie in seinem Aufschlag nennt? Und wenn sie denn anders sind: Anders als was eigentlich? Anders, als die anderen “Sportfotos”? Anders als die Wirklichkeit? Eine andere Wirklichkeit? Werde ich zeigen können, was ich sehen werde oder nur ahnen lassen, was zu zeigen wäre? Und wie wird Lars, 7.356,99 Kilometer Luftlinie weiter westlich, meine Bildern lesen?

  • Über Raumschiffe und blinde Passagiere

    Olympia ist ein Raumschiff. Alle zwei Jahre landet es irgendwo, entweder im Winter oder im Sommer. Dann werden Barrikaden in fröhlichen Farben errichtet, kilometerlange Kabel verlegt, manchmal wird vorher noch ein Berg weggebaggert, ein Armenviertel plattgemacht. Die Welt schaut dann gut zwei Wochen lang zu, wie junge Menschen aus aller Welt Leistungen vollbringen, für die sie unermüdlich gearbeitet haben, es geht um Ruhm und Ehre, Lebensträume, Geld und Gold. Dann werden die Barrikaden abgebaut, die Kabel eingerollt. Die weggebaggerten Berge bleiben weggebaggert.

    Es ist absurd. Wahrscheinlicher war es nie absurder als heute, im Februar 2022.

    Ein Regime, das Menschen einsperrt und unterdrückt und sich als fröhlich und weltoffen präsentiert. Tribünen ohne Zuschauer. Sportler, die Angst davor haben, ihre Meinung zu äußern. Die fürchten, dass ihre Handys ausspioniert werden. Doping. Künstliches Eis, künstlicher Schnee, künstlicher Jubel. Habe ich die Pandemie erwähnt?

    Und dennoch: Was die allermeisten Sportlerinnen und Sportler leisten, ist echt. Sie verdienen es, dass man hinzuschaut, sogar mitfiebert. Nur von der Inszenierung darf man sich nicht blenden lassen.

    Wahrscheinlich war es nie wichtiger, sich ein eigenes Bild von Olympia zu machen. Das soll in diesem Blog während der Winterspiele passieren, in Fotos und mit Wörtern, aus Peking und Berlin.

    Sebastian muss man sich wie einen blinden Passagier auf dem Raumschiff Olympia vorstellen. Er trägt zwar das offizielle Fotografen-Leibchen, schleppt seine Ausrüstung in Stadien und Hallen, friert und schwitzt und sitzt in den überfüllten Bussen und seelenlosen Presseräumen mit den anderen Medienleuten. Aber er sucht etwas anderes als die meisten von ihnen: andere Perspektiven, andere Momente. Kann man „andere Texte“ dazu schreiben? Ich werde es versuchen.

  • Abreise zu den viereinhalb Sternen

    Das Residence Hotel “Ramada Encore by Wyndham Chongli Secret Garden”, in dem ich ab Donnerstag für die nächsten zweieinhalb Wochen übernachten werde, hat im Internet bei Tripadvisor keine Bewertung – keine Ahnung, was mich erwartet. Von oben soll es dort laut Google etwa wie folgt aussehen:

    Wanlong, gesehen von Google

    Als Orientierung dafür, wie es in meinem Hotel wird, kann vielleicht das benachbarte Wanlong Skiresort, im Schnitt 4,5 von 5 Sternen, dienen. Das sagen Gäste, die schon mal dort übernachtet haben: 

    Hans E, Dezember 2015, Prädikat: Allein/Single, Bewertung: 4 von 5 Sternen. “Wer Skifahren liebt, dem gefällt es auch in Wanlong oder Secret Garden. Die Pisten sind hervorragend und die Sessellifte haben gute Kapazität und Schnelligkeit.”

    Wanlong, gesehen von Google

    Clement T, Januar 2017, Prädikat: Familie, Bewertung: 5 von 5 Sternen. “That is 9999999999 million times better than Yun Ding (using the another side of the mountain). The snow is terrific!!!! 99999999999 likes. That’s why I have we…”

    Wanlong, gesehen von Google

    Bob C, Januar 2016, Prädikat: Familie, Bewertung: 3 von 5 Sternen. “The snow? Meh.. mostly man made but ok that is not their fault. The lift could do with an upgrade. They did add a few gondolas onto one of the ski lift cables, basically one gondola after every four chairs lifts. BUT NOW my biggest gripe is the scanners for the lift tickets… Where di they buy these things? Second hand from some out of business ski place in some out of the way country? You stand there forever. Ridiculous. UPGRADE TIME! Otherwise, all good, the dining hall is expanded and I DIDN’T yet get the severe case of food poisoning like I did last year, so good so far.”

    Wanlong, gesehen von Google

    Soweit das Meinungsspektrum auf Tripadvisor zum Wanlong Skiresort, im Schnitt 4,5 von 5 Sternen, ein Katzensprung entfernt vom Ramada Encore by Wyndham Chongli Secret Garden Residence Hotel, noch keine Bewertung, in dem ich übernachten werde. In Wanlong wird bereits seit einigen Jahren Ski gefahren, zuweilen auch mit Lebensmittelvergiftungsgefahr, die jedoch inzwischen behoben scheint. Bob C muss es wissen. Auch wenn in Wanlong keine olympische Sportstätte ist: Ich nehme es als gutes Omen mit auf die Reise, die heute am Flughafen Amsterdam Schiphol, 4,3 von 5 Sternen, beginnt.

    Wanlong, gesehen von Google

  • Roboter, Zombies, Schlafwandler

    Ich habe mich gerade durch die Bilder gescrollt, die Agentur-Fotografen bereits aus Peking und den anderen Olympia-Orten schicken. Menschen auf Skiern, Menschen auf dem Eis, Menschen auf Schlitten. Im Hintergrund immer wieder die Olympischen Ringe, manchmal stehen Soldaten oder Polizisten in der Gegend herum. Ich kenne diese Bilder, in den Tagen vor der Eröffnung der Spiele geht es immer um Vorbereitung, Training, Ankommen, Warmlaufen. An einem Foto bin ich dann aber doch hängen geblieben. Es zeigt einen dreiarmigen Roboter, der einen Hotelflur entlangfährt und dabei Desinfektionsmittel in die Luft versprüht. Vielleicht wirst Du, lieber Sebastian, auch jeden Morgen auf dem Weg zum Frühstücksbüffet so einem Roboter begegnen. Würdest Du das lustig finden? Nervig? Gruselig? Bei den Sommerspielen in Tokio demonstrierten Roboter bereits, dass sie einen Basketball ziemlich präzise werfen können. In Peking sollen Roboter erstmals beim olympischen Fackellauf zum Einsatz kommen.

    Mechanische Spiele

    Ich kann mich daran erinnern, dass ich bei meinem bisher einzigen Olympia-Einsatz als Reporter selbst ein bisschen wie ein Roboter gefühlt habe. Es hatte etwas Mechanisches, jeden Morgen im Morgenlicht von Rio de Janeiro zum zentralen Busterminal zu laufen, dann in einen der kryptisch beschrifteten Busse zu steigen und zu einer Sporthalle zu fahren. Auch dort immer das gleiche Procedere: Sicherheitsschleuse, Akkreditierung vorzeigen, Platz auf der Pressetribüne suchen, Laptop aufklappen, ins Wlan einloggen. Dann folgte der spannende Teil: vielleicht ein mitreißendes Tischtennismatch, Michael Phelps im Schwimmbecken, Usain Bolt auf der Laufbahn! Dann Text abschicken, Laptop zuklappen, Busfahren, kurz schlafen, alles von vorne. An manchen Tagen verbrachte ich mehr Zeit im Bus als bei Wettkämpfen.

    40 Minuten Luxus

    Je länger die Spiele dauerten, desto interessanter war es, die anderen Presseleute im Bus zu beobachteten. Manchen fielen am Abend einfach die Augen zu, andere hackten weiter erbittert auf ihre Tastaturen ein und fluchten über jede Kurve und jedes Schlagloch auf den Straßen Rios. Manche wirkten wie Zombies, leer und gleichzeitig aggressiv. Ich fühlte mich eher wie ein Schlafwandler. An einem der letzten Abende der Spiele – ich habe keine Ahnung mehr, von welchem Wettkampf ich kam – hielt vor der Halle keiner der üblichen spartanischen Busse. Sondern ein fast leeres Luxus-Reisegefährt, mit gedämpftem Licht und weichen Sitzen, die sich in die Waagerechte zurücklehnen ließen. Ich konnte mein Glück kaum fassen, die 40 Minuten zurück zum Busbahnhof waren für mich so erholsam wie zwölf Stunden Schlaf im heimischen Bett. Dir, Sebastian, wünsche ich möglichst viele solcher Momente. Auch Roboter müssen mal ihre Akkus aufladen.

  • Hinter dem Mond die Matrix

    Roboter, lieber Lars, ist ein gutes Stichwort. Ich habe, so glaube ich zumindest, seit meiner Ankunft heute früh in Peking noch keinen Roboter gesehen. In Anbetracht der unzähligen, weiß uniformierten Menschen in Raumanzügen scheint mir die Grenze zwischen Mensch und Roboter allerdings fließend zu sein. Womöglich haben Andy und Larry Wachowski ein ähnliches Erlebnis gehabt, bevor sie vor gut 20 Jahren die Matrix gedreht haben. Erst ein Flug über eine braun-graue Mondlandschaft, genannt Wüste Gobi, dann die Ankunft in der cyberpunken Covid-Moderne Pekings. Hinter dem Mond die Matrix.

    03.02.2022. Blick aus dem Fenster des Flugzeugs beim Landeanflug nach Peking.
    03.02.2022. Ein Flughafenmitarbeiter in Schutzanzug wartet auf die Abfahrt der Busse zu den Hotels am Flughafen in Peking.
    03.02.2022. Chinesisches Flughafenpersonal in Schutzanzügen verteilt Desinfektionsmittel bei der Ankunft am Flughafen in Peking.
    03.02.2022. Chinesisches Flughafenpersonal in Schutzanzügen sortiert das Gepäck bei der Ankunft am Flughafen in Peking.

    Mit einem Menschen habe ich gesprochen. Wirklich ein Mensch, da bin ich mir sicher. Benjamin Karl, ein 36-jähriger Snowboarder aus Österreich, freut sich auf die Piste, auf der er bereits vor vier Jahren mal gefahren sei. Als er beim Ballspielen im Flughafen zu weit wirft und der Ball hinter einer blickdichten Absperrung landet, gibt er sich für einen Moment als Parcour-Läufer. Sein Ball wurde gerettet.

    03.02.2022. Benjamin Karl, Snowboarder aus Österreich, sucht seinen Wurfball hinter einer blickdichten Absperrung, mit dem er eben noch gespielt hat, um die Wartezeit am Flughafen zu überbrücken.

  • Eine Zelle namens Blase

    Dieser Blog trägt den Titel “Across the great wall” – insofern ist es doch ein sehr guter Start, dass Du gleich nach der Landung in Peking auf eine little wall gestoßen bist, die der Snowboarder überklettern musste – und es sogar geschafft hat! Ich bin gespannt, auf wie viele Absperrungen Du noch triffst, wie oft Du irgendwo abgewiesen wirst, nicht durch- oder nicht rauskommst. Das Wort “bubble”, das sich mittlerweile für die Massenisolation bei Sport-Großveranstaltungen durchgesetzt hat, klingt immer so freundlich. Dabei sind die Wände keineswegs durchlässig. Naja, wenn die das “Großer Käfig” oder “Gruppenzelle” nennen würden, käme wahrscheinlich niemand.

    Die weißen Männer

    Ich habe mir eine Aufgabe für Dich ausgedacht: Versuch doch mal, wie viele von den Männern in den weißen Hygiene-Anzügen Du auf ein Foto bekommst. Auf dem Bild mit dem Koffer zähle ich 13. Ich bin mir sicher: Da geht noch mehr.

    Vielleicht langweilen Dich die Sicherheitsabläufe aber auch schnell, es gibt bestimmt spannendere Motive. Immerhin hast Du sofort einen Sportler getroffen. Es hat mich sehr gefreut, dass der Snowboarder auf dem Flughafen Ball gespielt hat. Und das anscheinend auch noch so wild, dass der Ball irgendwo hinflog, wo er nicht hinsollte.

    Anspannung und Erschöpfung

    Wenn man Athletinnen und Athleten im Wettkampf sieht – hoch konzentriert und entschlossen – vergisst man oft, dass das meist ziemlich junge Menschen sind, die Quatsch im Kopf haben und nicht still sitzen können. Oder dass sich Phasen extremer Anspannung mit Phasen extremer Erschöpfung abwechseln (die man nur meist nicht sieht, weil die Kameras dann auf jemand anders gerichtet sind).

    Als ich vor sechs Jahren von den Sommerspielen aus Rio de Janeiro abreiste, kam ich am Flughafen an einem jungen Mann vorbei – nicht besonders groß, aber bullig -, der in Jogginghose auf dem Fliesenboden im Terminal ein Nickerchen machte. Wie ein Rucksacktourist, der seinen Anschlussflug verpasst hatte und seinen Rausch ausschlief. Ich erkannte ihn am Union Jack auf seinem Polo-Hemd: Ein paar Tage zuvor hatte ich Adam Peaty im Schwimmstadion gesehen, als ihm für seinen Sieg über 100 Meter Brust eine Goldmedaille umgehängt wurde und das Publikum ihn für einen neuen Weltrekord feierte.

  • P-A-P oder Die Männer in schwarz

    Aus deiner Aufgabe, lieber Lars, schließe ich, dass das Bild mit den 13 Männern in weiß deine Fantasie angeregt hat. Das freut mich wirklich. Allerdings fürchte ich, dass es mir schwer fallen wird, deine Aufgabe zu erfüllen. Nach dem “Zelldurchbruch” gestern am Flughafen habe ich die Männer in weiß immer mal wieder gesehen, aber maximal zu zweit. Zum Beispiel beim morgendlichen Corona-Test, manchmal aber auch zwischendurch und wie aus dem Nichts. Ganz so, wie sich das für gute Agenten gehört, um beim Matrix-Vokabular zu bleiben. Erst gestern Abend hörte ich auf meinem Hotelflur eine längere Diskussion mit Handy-Übersetzer zwischen einem Spanier und zwei Chinesen. Als ich einen ängstlichen Blick durch meine Zimmertür erhaschte, sah ich sie, die Männer in weiß, und schloss die Tür daraufhin sofort wieder. Ich habe besser kein Bild gemacht. Am nächsten Morgen erzählten mir Kollegen, dass ein Mann aus Gebäude 3 des Prince Hotels, in dem ich ebenfalls wohne, wegen eines positiven Corona-Tests ins Krankenhaus transportiert wurde. Anderen Gästen soll im Verdachtsfall die Zimmertür versiegelt worden sein. Je weniger Männer in weiß ich hier sehe, lieber Lars, desto beruhigter bin ich.

    Womöglich gelingt es mir aber, deine Aufgabe zu lösen, wenn ich Männer in schwarz statt in weiß ins Visier nehme. Rund um das Pekinger Olympiastadion stehen sie an fast jeder Ecke. Ihre Jacken reichen fast bis zu den Füßen und auf ihrer Brust prangert entweder die chinesische Flagge oder die Aufschrift “PAP”, sprich Volkspolizei. Ihre Blicke sind regungslos bis grimmig. Als ich im Umlauf des Olympiastadions zu einem Spaziergang innerhalb des “Closed Loops” ansetze, dem hiesigen Fachterminus für “Bubble”, werde ich nach einigen Metern prompt von einem Mann in schwarz zurückgepfiffen. Sein Funkgerät piept. Ich weiß nicht, was ich falsch gemacht habe. Es hat wohl ausgereicht, seinen Verdacht zu regen. Neben den Männern in Schwarz gibt es noch Männer und Frauen in diversen anderen Farben zur Auswahl: Grün (Soldaten), blau (Samsung-Mitarbeiter), hellblau (Desinfektionsmittel-Sprüher) oder rosa (Mitarbeiter*innen der Dining Area im Main Media Center).

    04.02.2022. Volkspolizisten bewachen den Außenbereich des Olympiastadions vor der Eröffnungsfeier.
    04.02.2022. Mitarbeiter im Main Media Center versprühen Desinfektionsmittel.
    04.02.2022. Ein Soldat in Uniform bewacht den “Closed-Loop” rund um das Olympiastadion.
    04.02.2022. Samsung-Mitarbeiter*innen weisen mich zurecht, ihre Teambesprechung im Main Media Center nicht zu fotografieren.
    04.02.2022. Mitarbeiter*innen der Dining Area im Main Media Center sortieren Lebensmittel,

    Gerade sitze ich im Zug zurück in die Berge nach Zhangjiakou und frage mich, was mir von der soeben beendeten Eröffnungsfeier in Erinnerung geblieben ist. Die US-Sportler*innen, die Arm in Arm ins Stadion liefen. Die KP-gescreenten Zuschauer*innen, die China, Taiwan (das bei Olympia Chinesisch Taipeh heißen muss), Hong Kong und Russland zujubelten, ansonsten recht still blieben und bei Deutschland ausnahmsweise ein kleines bisschen klatschten (warum auch immer). Thomas Bach, der versucht, chinesisch zu sprechen. Frost, Flammen, Floskeln, Feuerwerk. Soweit, so bekannt. Lars, hast du dir die Showeinlage im Fernsehen angeschaut?

    04.02.2022. Nach seiner Rede bei der Eröffnungsfeier räumt IOC Präsident Thomas Bach sein Redemanuskript zusammen und geht von der Bühne.
    04.02.2022. Volkspolizisten bewachen den Stadioninnenraum bei der Eröffnungsfeier im Olympiastadion.
    04.02.2022. Das Team der USA läuft ins Stadion bei der Eröffnungsfeier.

  • Perfektion ist nichts für mich

    Natürlich habe ich mir die Eröffnungsfeier angeschaut, was für eine Frage! Also: Ich habe mal in den Livestream reingeschaut. Für ein paar Minuten. Ich erwischte den Moment, in dem ein Kinderchor sang. Vielleicht gab es viele Momente, in denen ein Kinderchor sang, ich weiß es nicht. Ich habe den Stream dann nämlich wieder ausgemacht. Am Abend habe ich mir die Zusammenfassung in der ARD-Mediathek angeschaut, die Elf-Minuten-Version der Feier hat mir völlig ausgereicht.

    Diese Shows werden meist als “perfekt durchchoreographiert” beschrieben, ich halte das für ein eher abschreckendes Attribut.

    Strammstehen an Tor 38

    Insofern hat es mich gefreut, dass sich Deine Bilder heute vor allem auf das Drumherum konzentriert haben. Nicht nur die Show-Darsteller waren also farbenfroh – auch die Helferinnen und Helfer haben bunte Outfits, je nach Job. Am besten gefällt mir das Foto von dem einsamen Soldaten, der strammstehend ein Tor bewacht, wahrscheinlich einen von 45 Seiteneingängen zum Vogelnest-Stadion, wo seit Stunden niemand vorbeigekommen ist.

    Ich wüsste gerne mehr über diesen Soldaten. Kommt er aus Peking? Ist er für die Dauer Olympias in der Hauptstadt stationiert? Ist er stolz darauf, bei diesem Event dabei gewesen zu sein? Seinen Teil zum Gelingen beigetragen zu haben? Was erzählt er seiner Freundin abends am Telefon? “War ein super Tag, hatte Tor 38 komplett im Griff”? Oder eher “Ich konnte die Musik aus dem Stadion hören, aber nichts sehen, es war schrecklich deprimierend.” Oder nur: “Ich hätte die dicken Socken nehmen soll, Du hattest recht.”

    Sommerfest im Vogelnest

    Gerade fällt mir ein, dass ich sogar selbst schon mal bei einer großen Feier im Vogelnest-Station von Peking war. Die Abschlussfeier der Leichtathletik-WM 2015 war natürlich viel weniger pompös als die Olympia-Eröffnung, nicht ganz so perfekt durchchoreographiert, Kinder mit Fahnen gab es natürlich trotzdem. Am Ende konnte man als Pressemensch einfach auf den Rasen latschen, eine Hand in den Wassergraben des 3000-Meter-Hindernislaufs stecken (das Wasser war sehr warm), oder sich für ein Foto zum Kinderchor drängeln.

    Abschlussfeier der Leichtathletik-WM im Vogelnest-Station, Reporter aus Berlin mit Kindern aus Peking, 30.08.2015.

    Tut mir leid, ich wollte auch mal ein Foto posten, kommt nicht wieder vor. Ehrlich gesagt freue ich mich darauf, dass die Wettkämpfe jetzt losgehen. Und dass gut zwei Wochen Zeit sind bis zur Abschlussfeier.

  • Soldaten, Scham, Skiprung

    Die Soldaten sind mir sofort ins Auge gefallen, als ich mit dem Bus vom Main Media Center, einem mächtigen Messegebäude, zum Olympiastadion gefahren bin. Man hätte die Distanz auch ohne Probleme zu Fuß bewältigt, doch der Closed Loop zwingt jede und jeden zur Busfahrt. Das Gute daran ist, dass mich zeitweise nur eine Fensterscheibe von der Welt außerhalb des Closed Loops trennt. Auch wenn der Stadtteil, den ich gesehen habe, beinahe menschenleer war, hatte ich einige flüchtige Blickwechsel mit menschlichen Wesen außerhalb der olympischen Matrix. Die Soldaten mögen auch menschliche Wesen sein, ihre Blicke und Körper sind jedoch völlig versteinert. Außerdem wurde unmittelbar vor ihnen jeweils eine Überwachungskamera installiert, die nur dazu da scheint, den jeweiligen Soldaten zu kontrollieren. Ich weiß wirklich nicht, was der Mann seiner Freundin nach einer Schicht erzählen sollte. Vielleicht: “Ich habe heute nur 4 mal mit den Augenbrauen gezuckt.” Aber ich will mich wirklich nicht lustig machen. In seinen Schuhen möchte ich nicht stecken. Lieber fahre ich im Bus vorbei, drücke aus komfortabler Distanz den Auslöser und frage mich, ob ich mit diesem Bild nicht bloß aus dem visuellen Klischee schöpfe, dass wir von totalitären Staaten haben. Dennoch, hier noch ein Soldat von gestern. Irgendwie mag ich das Bild.

    04.02.2022. Soldaten in Uniform bewachen den “Closed-Loop” rund um das Olympiastadion in Peking.

    “Und nun zum Sport”, würde man bei der Tagesschau sagen, um der geneigten Zuschauerin zu sagen, dass sie nun alle Gräueltaten dieser Welt vergessen und sich auf das Wesentliche konzentrieren kann. Im Ernst, jetzt kommt das erste Sportfoto dieses Blogs. Es zeigt Anne Kylloenen (Finnland) und Masako Ishida (Japan) und noch 36 andere Skilangläuferinnen kurz nach dem Start des 2×7,5km Wettkampfes. Die erste Medaillenentscheidung in Peking beginnt mit einem Sturz dieser beiden Athletinnen. Ich stehe neben einem Kollegen, den ich schon einige Jahre kenne. Wir dürften beide in etwa das gleiche Bild gemacht haben. Unmittelbar nach der Szene schauen wir uns an und werfen einander zufrieden lächelnde Blicke zu. Als wollten wir uns sagen: Gutes Bild. Oh wie schön, endlich jemand auf die Nase gefallen, direkt vor der Kamera. Das ist natürlich übertrieben, und dennoch im Kern nicht falsch. Zum schämen eigentlich, oder doch ziemlich normal? Toxic masculinity, self-revealed? Oder einfach nur Freude über den “entscheidenden Moment”, wie Foto-Übervater Catier-Bresson sagen würde. Lars, geht dir das als Schreiber manchmal ähnlich?

    05.02.2022. Anne Kylloenen (Finnland) und Masako Ishida (Japan) stürzen nach dem Start beim 2×7,5km Skilanglauf Finale der Frauen in Zhangjiakou.

    Zum Abschluss noch einige Bilder aus der Skisprung-Arena. Am Abend lief der Wettkampf der Frauen von der Normalschanze. Auf dem ersten Bild sieht man eine Skispringerin, wenn man genau hinschaut. Vielleicht ist es die deutsche Katharina Althaus, die Silber gewann. Vielleicht auch nicht. Ist auch nicht so wichtig, denn der Star ist die Schanze. Die teuerste der Welt. In ihrer Monumentalität übertrumpft sie jedes Sportgeschehen mühelos.

    05.02.2022. Das National Skijumping Center in Zhangjiakou.
    05.02.2022. Das National Skijumping Center in Zhangjiakou.
    05.02.2022. Das National Skijumping Center in Zhangjiakou.
    05.02.2022. Das National Skijumping Center in Zhangjiakou.
  • Momente und Monstrositäten

    Die chinesischen Organisatoren scheinen es mit der Idee des “Raumschiffs Olympia”, die ich in meinem ersten Text erwähnt hatte, wirklich ernst zu meinen. Seit fünf Minuten starre ich auf Dein Foto vom National Skijumping Center. Was zur Hölle ist das?

    Ich stand mal auf der Sprungschanze in Oberstdorf, oben am Balken – das ist verdammt hoch. Und in Zhangjiakou haben die einfach ein Ufo darüber gebaut, unter dem die beiden Schanzen wie Spielzeug wirken.

    Insofern kann man nicht von “Und nun zum Sport” reden, nur weil die Wettkämpfe jetzt so richtig angefangen haben, das war vor diesen Winterspielen ja sowieso klar. Dein Foto zeigt zwar Sport, klar, aber es zeigt auch einen winzigen Menschen inmitten monströser Architektur. Klar ist auch: So ein Ufo stellt man sich nicht aus Versehen hin.

    Es geht nicht um Schadenfreude

    Was Deine Freude über das Bild von den stürzenden Langläuferinnen angeht: Ich finde nicht, dass Du Dich dafür schämen musst. Im Sport geht es ja immer um die Dramatik, die Spannung, dazu gehören Stürze genauso wie Meisterleistungen, Enttäuschung wie Jubel. Schadenfreude ist natürlich etwas anderes – aber wieso solltest Du Schadenfreude empfinden, wenn Frau Kylloenen und Frau Ishida im Schnee landen?

    Wer Sportjournalist ist – Schreiber, Kameramann, Kommentator, Fotograf – will natürlich im entscheidenden Moment dabei sein. Und das beinhaltet meistens nun mal, dass jemand gewinnt und jemand verliert, dass eine im Ziel die Arme hochreißt und die andere im Schnee zurückbleibt. Bei Olympischen Spielen ist dieses Prinzip auf die Spitze getrieben, weil alle Athletinnen und Athleten so lange auf diesen Moment hingearbeitet haben.

    Der Materazzi-Moment

    Ich habe mal Peter Schols interviewt. Den Namen kennt niemand, sein wichtigstes Bild aber die ganze Welt. Der Niederländer war der einzige Fotograf, der den Kopfstoß von Zinedine Zidane gegen Marco Materazzi im Finale der Fußball-WM 2006 festgehalten hat. 350 Fotografen waren damals im Berliner Olympiastation. 350! Keiner hat in dem Moment hingeschaut. 1200 Zeitungen auf der ganzen Welt druckten das Foto. Fernsehkameras, sagte Schols fangen bewegte Bilder ein, “aber Fotografen machen die Bilder, die oft bewegender sind”.

    Schols sagte mir, er habe einfach einmal im Leben großes Glück gehabt. Es gehöre allerdings auch ein bisschen mehr dazu, einen besonderen Moment einzufangen: “Man muss auch mal nicht durch den Sucher schauen, sondern mit eigenen Augen sehen.”

    Aber da mache ich mir bei Dir keine Sorgen.

  • Die kontrollierte Ikone

    Peter Schols’ Satz, dass Fernsehen bewegt ist, aber Bilder bewegend, mag ich sehr. Sein Bild von Zidane ist ein faszinierender Mythos. Er kommt aus einer Zeit, als Fototechnik noch fehlbar, die Presse noch eine Bastion, der Sport noch voller “echter Typen” und der Videobeweis nicht mal eine Utopie war. Für eine solche Ikone braucht es einen Moment, über den alle, oder zumindest ziemlich viele reden. Es braucht natürlich ein gutes Foto davon, das sonst niemand hat. Es braucht Raum für glückliche Zufälle, Unplanbarkeiten und fotografischen Individualismus. Es braucht das Gegenteil der kontrollierten olympischen Sportmoderne. Ich möchte wetten, dass es von diesen Olympischen Spielen vielleicht ikonische Momente, aber kein ikonisches Bild geben wird. Allerdings suche ich danach auch gar nicht. Einmal ist es mir dennoch beinahe passiert, eine Ikone ikonisch zu fotografieren. Bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro gelang mir ein Foto von Usain Bolt, das sonst niemand hatte. Es wurde mit dem Sportfoto des Jahres ausgezeichnet und in so mancher Zeitung abgedruckt. Seitdem zeige ich das Bild jedoch nirgendwo. Denn ikonische Bilder haben den Nachteil, dass man als Autor die Kontrolle über sie verliert. Sie verselbstständigen sich und führen ein visuelles Eigenleben. Ich gebe zu, dass ich zwar unkontrollierte Sportevents mag, doch Kontrolle über meine Bilder liebe. Für diesen Blog mache ich eine Ausnahme. Lars, vielleicht ist es Zeit für ein Bolt-Meme?

    14.08.2016. Usain Bolt feiert mit seinen Fans nach dem Sieg im 100m Finale bei den Olympischen Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro.

    Ich schreibe diesen Text gerade bei -20°C an einer Bushaltestelle auf einem Großparkplatz in Yanquing. Es ist kurz vor halb Zwölf Uhr nachts. Ich warte auf meinen Bus, den TG Cross, der mich hoffentlich bald zurück nach Zhangjiakou bringen wird. Die Fahrt soll vier Stunden dauern. Die Rückreise scheint ebenso langwierig zu werden wie die Hinreise. Sie startete heute morgen um 6:30 an meinem Hotel. Dort nahm ich zwei unterschiedliche Busse zur Bahnstation Taizicheng, fuhr anschließend mit dem Schnellzug nach Quinghe in Peking und dann mit einem weiteren Schnellzug nach Yanqing. Von dort benötigte ich weitere drei Busse und zwei Gondeln, um an der Zieleinfahrt der Ski Alpin Piste anzukommen. Gesamtfahrzeit: Sechs Stunden. Funfact: Der Wettkampf wurde abgesagt. Zu viel Wind. Vielleicht hätte man aber besser schon vor Jahren den Bau dieser Piste absagen sollen. Zu. Viel. Umweltzerstörung.

    06.02.2022. Gebäudekomplex am Zielbereich der Ski Alpin Piste in Yanqing, der nach den Spielen wegen fehlender Nutzungsperspektiven wieder abgebaut werden soll.
    06.02.2022. Ein Journalist fragt einen Volunteer, welcher Bus ihn zu seinem Hotel in Yanqing führt.
    06.02.2022. Gondeln im Startbereich der Ski Alpin Piste in Yanqing.
    06.02.2022. Slalom Training auf der Ski Alpin Piste in Yanqing.
    06.02.2022. Ein Soldat wacht auf einer Zwischenstation einer Gondel der Ski Alpin Piste in Yanqing.
    06.02.2022. Anzeige im Startbereich der Ski Alpin Piste in Yonqing.
    06.02.2022. Ein Polizist bewacht die Abreise der wenigen chinesischen Zuschauer*innen beim Ski Alpin in Yangqing, nachdem der Wettkampf wegen starkem Wind abgesagt wurde.
    06.02.2022. Ski Alpin Pisten in Yanqing.

    Gleich neben Ski Alpin: Die Rodelbahn. Klingt nach Winterurlaub, ist aber lebensgefährlich.

    06.02.2022. Junyue Peng und Yebo Huang (China) beim Rennrodeln im National Sliding Center in Yanquing.
    06.02.2022. Semen Pavlichenko (Russland) beim Rennrodeln im National Sliding Center in Yanqing.
    06.02.2022. Flutlicht strahlt aus dem National Sliding Center in Yanqing.
    06.02.2022. Johannes Leder (Deutschland) gewinnt Gold im Rennrodeln im National Sliding Center in Yanqing.

  • Vorfreude – worauf eigentlich?

    Was für ein schöner Kontrast heute: einerseits der Weltstar Usain Bolt, Du mit der Kamera ganz nah dran. Andererseits: ein olympischer 20-Stunden-Tag, ewige Busfahrten durch die Umweltsündenlandschaft, das Abfahrtsrennen wird abgesagt.

    Und dann auch noch Fotos vom Rodeln, der wahrscheinlich unpopulärsten aller olympischen Sportarten. In Deutschland kommt das zwar im Winter jedes Wochenende im Fernsehen, bis auf uns und fünf andere Länder interessiert das aber niemanden.

    Braune Hänge, leere Tribünen

    Würdest Du sagen, der Tag war reine Zeitverschwendung? Oder bist Du zufrieden mit dem, was Du gesehen und fotografiert hast? Gibt es eigentlich etwas, auf das Du Dich in China besonders freust? Eine bestimmte Sportstätte, ein besonderer Wettkampf? Oder hast Du Dir vorgenommen, einfach so viele verschiedene Eindrücke wie möglich zu sammeln? Wie viele 20-Stunden-Tage kann man eigentlich hintereinander abreißen?

    Ich stelle diese Fragen auch, weil ich selber unsicher bin, worauf ich mich freuen soll. Vielleicht muss ich mich am Fernseher erst reingucken in diese Spiele, bisher bin ich noch kaum dazu gekommen. Aber nach jedem Kameraschwenk auf die braunen Hänge oder in Richtung der leeren Tribünen setzt wieder ein eher depressives Grundgefühl ein. Jedes Deiner Fotos von stummen Soldaten und Helfern in Ganzkörperschützanzügen lässt mich doch wieder daran zweifeln, ob ich mich überhaupt über irgendetwas an diesen Spielen freuen sollte.

    Deswegen eine letzte Frage: Hast Du Spaß bisher?

  • Spaß in der spaßbefreiten Zone

    Ich habe vor den Spielen angefangen, das Buch “Stunden aus Blei” von Radka Denemarková zu lesen, die seit dessen Veröffentlichung ein Einreiseverbot in China hat. Es ist so eindrucksvoll und intensiv geschrieben, dass ich bei jedem Satz ein bisschen weinen muss, auch wenn die Tränendrüsen trocken bleiben. Das gleiche Gefühl habe ich, wenn ich stundenlang mit dem Bus durch die breiten, aber fast menschenleeren Straßen der Pekinger Peripherie gefahren werde. Vielleicht hat das gar nichts mit den leeren Straßen an sich zu tun, sondern eher mit dem durch die absolute Isolation provozierten Bewusstsein dafür, das wir, die Olympia-Besucher und -Teilnehmer, hier nicht zum Spaß sind. Wir sind hier als reine Funktionsträger. Wir machen Sport, Bilder, Berichte, sonst nichts.

    06.02.2022. Leere Straßen auf der Busfahrt auf dem Weg zur Ski Alpin Piste in Yanqing.

    Und dennoch, ich hatte heute meinen Spaß. Als ich nach dem Biathlon-Wettbewerb der Frauen über 15 Kilometer ein wenig vor der Biathlon-Arena entlang schlenderte, fiel mein Blick plötzlich auf ein eigenartig pompöses Auto. Es war das Auto des mongolischen Präsidenten Ukhnaagiin Khürelsükh (spreche aus, wer kann), der gerade zwei Tage auf Olympia-Tour ist, um die beiden einzigen mongolischen Olympionik*innen zu sehen. Das erklärte mir eine nette Frau, die die VIP-Gäste betreut und mich kurz darauf in die Lounge der Olympic Family einlud. Da habe ich laut Protokoll eigentlich nichts zu suchen. Die Lounge war nicht sonderlich fotogen und die meisten Gäste schon gegangen, aber die Pasta hat hervorragend geschmeckt.

    07.02.2022. Das Auto des Mongolischen Staatspräsidenten parkt vor der Olympic Family Lounge im Biathlon-Stadion in Zhangjiakou.
    07.02.2022. Der Staatspräsident der Mongolei, Ukhnaagiin Khürelsükh, hat den 15km Einzelwettbewerb der Frauen in der Biathlon Arena in Zhangjiakou besucht.
    07.02.2022. Mitglieder des IOC aus der Mongolei essen in der Olympic Family Lounge in der Biathlon Arena in Zhangjiakou.

    Ansonsten: Die Bilder des Tages.

    07.02.2022. Birken wachsen zwischen der Laufstrecke in der Biathlon Arena in Zhangjiakou.
    07.02.2022. Mitarbeiter des weißrussischen Fernsehens essen einen “Hot Pot” in einer Pause vor dem 15km Einzelwettbewerb der Frauen in der Biathlon Arena in Zhangjiakou.
    07.02.2022. Patronenhülsen liegen vor einer versteckten TV-Kamera in der Schießschanze der Biathlon Arena in Zhangjiakou.
    07.02.2022. Vanessa Voigt (Deutschland) ist erschöpft im Ziel nach dem 15km Einzelwettbewerb der Frauen in der Biathlon Arena in Zhangjiakou.
    Training in der Biathlon Arena in Zhangjiakou bei den Olympischen Winterspielen in Peking, China, 07.02.2022.
    07.02.2022. Denise Herrmann (Deutschland), Anais Chevalier-Bouchet (Frankreich) und Marte Olsbu Roeiseland (Norwegen) jubeln bei der Siegerehrung nach dem 15km Einzelwettbewerb der Frauen in der Biathlon Arena in Zhangjiakou.
    07.02.2022. Arbeiter präparieren die Aufsprungbahn der Skisprung Arena in Zhangjiakou.
    07.02.2022. Kabel und eine Überwachungskamera sind an einer Tribüne in der Skisprung Arena in Zhangjiakou befestigt.
    07.02.2022. Ein Mitarbeiter in einer PCR-Teststelle des Prince Hotels sitzt in der Lobby und wartet auf Gäste. Alle müssen täglich einen Test machen.
  • Achte auf die Augen!

    Hey, Glückwunsch zur Aufnahme in die Olympic Family! Was für eine Ehre! Eigentlich kaum zu glauben, dass Du Dich da reinschleichen konntest. Wo waren die Soldaten, die Kameras, die Männer und Frauen mit den Sicherheitsanzügen?

    Es hat mich beruhigt, dass Du in China auch lustige und überraschende Begegnungen hast – bei aller Freudlosigkeit, Rigidität und Kälte, die diese Olympischen Spiele ausstrahlen. Außerdem: Wann trifft man schon mal den Präsidenten der Mongolei?

    Vermummte Sieger und Verlierer

    Mir ist beim Fernsehgucken auch etwas aufgefallen, das mir tatsächlich Freude gemacht hat. Wenn Sportlerinnen und Sportler vor die Kameras treten, tragen sie meist noch ihre Helme oder Mützen, dazu eine Mund-Nasen-Maske, bis auf einen schmalen Schlitz sind sie quasi vermummt. Dadurch wirken die Augen der Sieger aber viel intensiver, strahlender. Bei denen, die sich als Verlierer fühlen, scheint jeder Glanz verschwunden zu sein.

    Achtung, jetzt kommt ein blöder, abgedroschener Spruch: Augen sind die Spiegel der Seele.

    Leicht abgewandelt und auf Olympia angewendet finde ich ihn aber ganz nett: Augen sind der Medaillenspiegel der Seele.

  • Männer, die weinen

    Auf deine gestrige Augenbeobachtung hin habe ich mich heute auf die Suche nach Blickkontakten mit Sportler*innen gemacht. Das ist nicht immer einfach, vor allem nicht bei Olympia. Mit Kolleg*innen wechsele ich zwar viele Blicke, allerdings gewinnen die keine Medaillen und verlieren auch keine. Die Sportler*innen gewinnen und verlieren quasi beruflich, doch meist sind sie für jedwede Kontaktaufnahme viel zu weit entfernt. Als ich heute morgen beim Snowboard-Training in der Halfpipe vorbeikam, konnte ich etwas näher an die Sportler*innen heran. Im Startbereich herrschte ein beinahe anarchisches Gewusel. Doch ausgerechnet Snowboarder*innen tragen oft Schutzbrillen, die komplett verspiegelt sind. Als Chaeun Lee, ein 15-jähriger Youngstar aus Südkorea, einen Moment lang in einem Sonnenstrahl stand, der in den Startpavillion fiel und das Gesicht hinter seiner Brille erleuchtete, bat ich ihn flüchtig um ein Portrait. Dann stürzte er sich die Halfpipe hinunter. Der junge Chaeun Lee wird diesmal wahrscheinlich (noch) keine Medaille gewinnen. Er ist einfach nur dabei, im besten olympischen Sinne. Vielleicht hat dieses Portrait nicht viel zu sagen. Ich habe mich dennoch darüber gefreut. Was liest du in seinen Augen ab, lieber Lars?

    08.02.2022. Chaeun Lee (Südkorea) beim Training auf der Halfpipe im Genting Snow Park.
    08.02.2022. Snowboard Training in der Halfpipe im Genting Snow Park.

    Ich hatte noch einen weiteren Blickkontakt mit einem alten Bekannten dieses Blogs. Benjamin Karl habe ich am Flughafen in Peking kennengelernt, als er mit einem Gummiball spielte, um die Wartezeit nach der Landung zu überbrücken. Der Ball flog hinter eine Absperrung und Benjamin musste klettern, um ihn wiederzubekommen. Du erinnerst dich sicher. Heute hat der Snowboarder Gold im Parallel-Riesenslalom gewonnen. Vor der Siegerehrung hatte er vor lauter Glück Tränen in den Augen. Ich stand direkt neben ihm. “Benjamin, weißt du noch, wir haben uns am Flughafen getroffen”, meinte ich zu ihm. “Ja, stimmt ja, ich muss dir noch eine Email schicken, damit du mir die Bilder schickst”. Noch mehr Tränen.

    08.02.2022. Benjamin Karl (Österreich) jubelt über seine Goldmedaille im Parallel Giant Slalom.
    08.02.2022. Tim Mastnak (Slowenien), Victor Wild (Russland) und Benjamin Karl (Österreich) bei der Siegerehrung nach dem Parallel Giant Slalom im Genting Snow Park.
  • Ein ganzes Athletenleben

    Wenn ich Chaeun Lee in die Augen schaue – also auf Dein Foto von seinen Augen, dass vor einem halben Tag in mehr als 7000 Kilometern Entfernung entstanden ist – bilde ich mir ein, Entschlossenheit zu sehen. Und gleichzeitig eine große Gelassenheit, Gleichmut, vielleicht kann man es auch Naivität nennen.

    Mein Gott, 15 Jahre alt! Und schon bei Olympia! Er ist dort angekommen, wo Millionen Sportlerinnen und Sportler hinwollen. Und hat gleichzeitig noch ein ganzes Athletenleben vor sich. Siege und Niederlagen, unendlich viel Training, unweigerlich auch Verletzungen (er ist Halfpipe-Snowboarder!). Vielleicht kannst Du Chaeun Lee nochmal bei den Winterspielen 2042 fotografieren – gleiches Motiv, durch die Brille, nur die Augen. Dann wäre er 35 und damit fast genauso alt wie Benjamin Karl heute. Ich wette, man würde den Unterschied sehen, nur in den Augen.

    Erkenntnis im Ziel

    Wenn ich Benjamin Karl ins Gesicht schaue, sehe ich etwas anderes. Großes Glück natürlich, er ist jetzt schließlich Olympiasieger. Aber auch Schmerz, da scheint sich etwas in ihm zu lösen. Vielleicht kommt er gerade zur Erkenntnis, dass die Goldmedaille auch ein Ende für ihn darstellt, dass es nicht mehr höher hinausgeht. Aber dass sich die Reise bis hierhin gelohnt hat, dass es das alles wert war. Ich habe gerade gelesen, dass er sich im Alter von zehn Jahren bei einem Sturz drei Brustwirbel gebrochen hat, lange im Krankenhaus lag und Glück hatte, keine Querschnittlähmung davongetragen zu haben.

    Was seine Gefühle angeht: Das ist natürlich alles Spekulation, ich kenne Benjamin Karl nicht, habe ihn nie getroffen. Auch vom Snowboarden habe ich keine Ahnung. Alles Küchenpsychologie, ich sitze ja auch an meinem Küchentisch in Berlin und stehe nicht an der Piste in Zhangjiakou.

    In Fleisch und Blut

    Aber ich habe mich schon häufiger mit älter werdenden Sportlern über den Herbst der Karriere unterhalten. Der Kanute Ronald Rauhe nahm an sechs Olympischen Spielen teil, im vergangenen Sommer gewann er in Tokio noch einmal Gold im Vierer. Bis zuletzt trainierte er wie besessen, kannte seinen Körper in- und auswendig, musste Familienleben, Job und Sport miteinander in Einklang bringen.

    Der Sport ist Menschen wie Rauhe in Fleisch und Blut übergegangen. Er sagte mir im Sommer 2020, das Schwierigste nach der Karriere werde es sein, den Ehrgeiz abzulegen.

    Bis dahin ist es für Chaeun Lee noch ein langer Weg. Entschlossenheit und Gelassenheit, wahrscheinlich sind das die Schlüssel.

  • Big Plunge

    Big Air heißt diese Sportart, als könnte die Luft größer oder kleiner sein. Große. Luft. Man kann sie nicht atmen und auch nicht riechen. Sie ist nicht warm, nicht kalt, nicht dick, nicht dünn. Sie trägt wirre Bezeichnungen aus Kürzeln mit Zahlen und Buchstaben in unendlichen Kombinationen. x-l-T-19-Mu. NB-l-T-16-J. x-l-D-18-cu. I-D-18-Mut-to-J. l-D-16-D-Tg. Was das bedeutet, kannst du hier herausfinden. Kannst du mir das vielleicht erklären, Lars? Ich verstehe leider nichts davon. Die Große Luft ist vor allem eine Illusion. Ein Traum. Der Traum vom Fliegen. Das Spiel mit der Schwerkraft. Die Große Luft ist olympisch, seit neuestem. Sie befindet sich gerade unter anderem in Form einer monströsen Schanze in Shougang, ganz im Westen von Peking, eingerahmt von Industrieruinen und vereisten Kühlwasser-Seen. Die Schanze sieht so futuristisch aus, dass selbst der Kunstschnee seine Künstlichkeit vollständig einbüßt.

    09.02.2022. Die Big Air Schanze liegt in einem ehemaligen Industrieviertel in Shougang.
    09.02.2022. Zuschauer an der Big Air Schanze in Shougang.
    09.02.2022. Big Air Finale in Shougang.
    09.02.2022. Ein Broadcast-Mitarbeiter parkt eine Drohne an der Big Air Schanze in Shougang.
    09.02.2022. Big Air Schanze in Shougang.
    09.02.2022. Mitarbeiter sprühen Desinfektionsmittel auf Zuschauersitze nach dem Wettkampf im Big Air in Shougang.

    “He new he had to go all in and he went all in”, sagt der Moderator mit britischem Akzent und viel Selbstbewusstsein. Er scheint sich sicher, dass ihn die wenigen chinesischen Zuschauer*innen im Stadion gut verstehen. Vermutlich ist aber nur das tief verstörte “Ohhhh” wirklich unmissverständlich, das erklingt, als der Italiener Leonardo Donaggio bei seiner Landung stürzt. Hätte er das Gleichgewicht gehalten, wäre er womöglich Olympiasieger geworden. Überhaupt, die Landung. Der Moment der Wahrheit. Der Zeitpunkt, in dem der Traum vom Fliegen in die Wachphase der Bodenhaftung übergeht. Der letzte Teil des Sprungspektakels, der entscheidet, ob x-l-T-19-Mu mit 90 Punkten belohnt wird oder nur mit 10. Ein einziger Sturz wiegt mehr als 100 Salti. Ein Fehler im System? Könnte die große Luft nicht noch größer sein, wenn auch dem Fallen, Stürzen und Rutschen ein Wert beigemessen würde? Würde dann nicht auch das Wiederaufstehen den Aufstieg vom Applaus-ächzenden Mitleidserreger zur Kunstform erleben? Big Plunge sozusagen. Der Große Fall. Demnächst in Mailand?

    Und dann: Short Track. Kurze Bahn. Schmaler Pfad. Dünnes Eis. Sportler*innen, die sich im wahrsten Sinne des Wortes um sich selbst drehen und immer wieder aus der Kurve fliegen. Die chinesischen Zuschauer*innen fiebern ausnahmsweise mit. Ich auch ein bisschen. Ein Koreaner gewinnt. Ein Bulgare ehrt den Sieger. Ein Chinese moderiert das Fernsehen. Ein Deutscher wässert das Eis.

    09.02.2022. Ein Kameramann filmt das 1500m Short Track Finale im Capital Indoor Stadium.
    09.02.2022. Ein Moderator des chinesischen Olympia-Senders CMG wartet auf seinen Einsatz beim Short Track im Capital Indoor Stadion.
    09.02.2022. Stoytcho Stoychev (Bulgarien) wartet auf seinen Einsatz bei der Siegerehrung für den 1500m Short Track Wettbewerb im Capital Indoor Stadion.
    09.02.2022. Das Team der USA verlässt das Eis mit Blick auf den Ergebnisbildschirm nach dem 3000m Staffel Halbfinale im Short Track im Capital Indoor Stadion.

  • Zwischen Himmel und Erde

    Jetzt hast Du ja doch wieder Fotos von Stürzen gemacht! Das wolltest Du doch lassen! Kommt wieder Deine hämische Seite in Dir durch?

    Das ist natürlich Quatsch, bei Disziplinen wie Big Air geht es ja vor allem darum zu schauen, ob der Sprung am Ende auf den Skiern oder auf der Nase endet. Denn mit bloßem Auge kann ohnehin kein Laie erkennen, was da gerade zwischen Himmel und Erde passiert.

    Neues Wissen

    Ich bin ein bisschen unschlüssig, was derartig komplizierte Disziplinen angeht. Gerade Olympia bietet ja die Gelegenheit, sich neues Wissen anzueignen, eine Sportart für sich zu entdecken. Big Air gehört für mich nicht dazu, genauso wenig wie Judo (wer hat jetzt wen umgeworfen?), Ringen (wieso muss die sich jetzt auf den Bauch legen?), Fechten (rot blinkt, grün blinkt, beide jubeln) Moderner Fünfkampf (völliger Quatsch) oder das nicht-olympische Cricket (WTF).

    Andere Sportarten, mit denen mich zuvor rein gar nichts verbunden hat, habe ich hingegen schätzen gelernt. Rhythmische Sportgymnastik im Team ist der Wahnsinn, Tischtennis unglaublich spannend, alle vier Jahre gucke ich mit wohligem Gruseln Skeet, das olympische Tontaubenschießen.

    Verliebt in Füssen

    Curling finde ich super, seit ich vor 15 Jahren mal von der EM in Füssen berichtet habe. Die Menschen dort waren ausnahmslos freundlich und offen, die Sportlerinnen und Sportler verhielten sich absolut fair (brüllten ihre Mitspieler aber zwischendurch wie besessen an).

    Auf der Tribüne saß ich neben dem Vater des deutschen Mannschaftskapitäns, der mir die Regeln erklärte, nach guten Spielzügen “Hey! Super! Tschör-Ma-Nee!” rief und dazu mit einer Kuhglocke läutete. Zum Aufwärmen morgens spielte der Hallen-DJ “Morning has broken”, während die Sportler andächtig schweigend übers Eis glitten.

    Ich habe mir gerade den Zeitplan für das olympische Curling-Turnier angeschaut und mit Freude festgestellt, dass noch viele Partien kommen und die Finals erst am letzten Wochenende der Winterspiele ausgetragen werden.

    Ich gebe zu: Die Spannung ist eine andere als beim Big Air. Dafür machen die Steine ein sublimes Klack-Geräusch, wenn sie gegeneinander stoßen.

  • Ode an den Lift

    Scotty James scheint Mitleid mit mir gehabt zu haben. Der Australier hing mit seinem Snowboard am Lift und ließ sich genüsslich zum Starthügel der Halfpipe transportieren. Ich kraxelte mühsam mit Schneeketten unter den Schuhen die Steigung hinauf. “Come on my Board”, sagte er kurzentschlossen. Ich ließ mich nicht lange bitten. Von nun an bin ich Fan von Skilifts aller Arten. Sie transportieren einen jeden geduldig und mühelos in die Höhe. Sie ruckeln etwas unsanft, sobald die Bügel über die T-Stützen gleiten. Sie sind angenehm langsam, sodass jede Fahrt zur Kontemplation wird. Sie begleiten ihre Gäste mit einem surrenden Geräusch bis auf den Gipfel, während der Lärm des Tals allmählich abnimmt. Mit dem Lift sind alle mit exakt der selben Geschwindigkeit unterwegs, egal ob Wintersport-unerprobte Fotografen oder Olympiasieger im Snowboard. Wenn es bei diesen Winterspielen etwas gibt, dass Menschen vereint und gleicher macht, dann die Skilifts.

    10.02.2022. Maksim Gustik (Belarus) nimmt einen Lift zum Start bei den Aerials im Genting Snow Park.
    10.02.2022. Skifahrer sitzen in einem Lift im Genting Snow Park.
    10.02.2022. Bäume ranken aus dem Schnee unter einem Lift im Genting Snow Park.
    06.02.2022. Eine Gondel führt zum Startbereich im Ski Alpin in Yanqing.
    10.02.2022. Anna Derugo (Belarus) nimmt einen Lift zum Start bei den Aerials im Genting Snow Park.
    10.02.2022. Bergstation eines Lifts vor einem Hotelbau im Genting Snow Park.
    06.02.2022. Blick von einer Gondel auf das Slalom Training auf der Ski Alpin Piste in Yanqing.
    08.02.2022. Skilift und Funkmasten im Genting Snow Park.
    06.02.2022. Gondeln auf der Ski Alpin Piste in Yanqing.
    10.02.2022. Jiayu Liu (China) fährt mit dem Lift zum Start der Halfpipe.

    Abseits des Lifts:

    Umito Kirchwehm (Deutschland) wird mit einem Schneemobil zum Start transportiert nach dem Achtelfinale im Snowboard Cross im Genting Snow Park.
    10.02.2022. Volunteers fahren die Halfpipe herunter nach dem Snowboard Wettkampf der Frauen im Genting Snow Park.
    10.02.2022. Ein Teammitglied aus Australien hat ein Schild zum Anfeuern gebastelt beim Finale im Snowboard Cross im Genting Snow Park.
    10.02.2022. Glenn de Blois (Niederlande) beim Snowboard Cross im Genting Snow Park.
    10.02.2022. Ein Kameramann filmt die Abfahrt im Snowboard Cross im Genting Snow Park.
    10.02.2022. Pirmin Werner (Schweiz) wärmt sich auf vor den Aerials im Genting Snow Park.
    10.02.2022. Mengtao Xu (China) bei den Aerials im Genting Snow Park.
    10.02.2022. Mitglieder der Olympic Family tragen goldene Schuhe bei den Aerials im Genting Snow Park.
    10.02.2022. Siegerehrung bei den Aerials im Genting Snow Park.

  • Schleppen, nein danke

    Ausnahmsweise kann ich Dir diesmal gar nicht zustimmen: Ich mag Lifte überhaupt nicht. Gondeln: klar, gerne. Sessellifte: auch okay, Beine baumeln lassen. Schlepplifte: nein.

    Damit oute ich mich natürlich als Anti-Skifahrer, als Durch-und-Durch-Berliner habe ich damit aber auch kein Problem. Wahrscheinlich hängt das mit dem ersten Snowboard-Kurs zusammen, den ich im Alter von ungefähr 14 Jahren gemacht habe.

    Trauma am Mini-Hügel

    Wir waren im Bayerischen Wald, der Snowboardlehrer war ungeduldig und unfreundlich, es war kalt, meine Finger klamm, meine Bindungen bekam ich kaum alleine auf. Das schlimmste Trauma war aber der Schlepplift. Nicht ein einziges Mal gelang es mir, den Mini-Hügel bis nach oben zu fahren.

    Was zur Folge hatte, dass ich bergauf stapfen musste. Dafür musste ich meine Bindung aufmachen, was mir nicht immer gelang. Dafür musste ich den Snowboardlehrer rufen, der immer ungeduldiger und unfreundlicher wurde. Während ich auf ihn wartete, damit er mich anmotzen konnte, wurde mir immer kälter. Wieso tun sich Menschen das freiwillig an, dachte ich mir.

    Üble Erinnerungen

    Wahrscheinlich wäre aus mir ein begnadeter Wintersportler geworden, hätte ich damals den Schlepplift bezwungen. So blieb es bei diesem Ski-Urlaub und einem zweiten Versuch, bei dem ich auch nicht mehr Spaß hatte (zumindest nicht auf der Piste).

    Mannomann, die Fotos bringen echt üble Erinnerungen hoch. Bei den nächsten Lift-Fotos bitte eine Trigger-Warnung voranstellen.

  • 2068

    12.02.2022. Fotograf*innen beim Skispringen von der Großschanze im Ski Jumping Center in Zhangjiakou.

    Rio de Janeiro, 2016. Stunden vor dem 100-Meter-Finale sind fast alle Fotopositionen im Olympiastadion besetzt. Fotograf*innen geraten hier und da in Streit über gebunkerte Sitzplätze. Es gibt einen Wettstreit um das beste Bild von Usain Bolt. Vereinzelt werden Ellenbogen eingesetzt.

    Tokyo, 2021. Kurz vor dem 100m Finale im Olympiastadion sind noch etliche Fotopositionen frei. Sie bleiben frei. Die Fotograf*innen scheinen sich in Genügsamkeit zu ergeben. Ein Italiener gewinnt den Sprint. (Weiß noch jemand, wie er heißt?) Ein Kollege sagt, “das ist der Anfang vom Ende”. Er meint vielleicht das Ende der Sportfotografie, mindestens aber das Ende der Peter Schols’.

    Peking, 2022. Vor der Siegerehrung im Super-G sammeln sich die Fotograf*innen im Auslauf der Skipiste. Womöglich ist die Siegerehrung die letzte Bastion der Sportfotografie. Es ist der Moment, wenn im Fernsehen das Pulk der Fotograf*innen eingeblendet wird. Das soll verdeutlichen: “Seht, die Weltpresse ist hier.” Fotograf*innen als Stafette. Fotograf*innen als Belegoptik einer vorgetäuschte Pressefreiheit.

    11.02.2022. Siegerehrung im Super-G der Frauen in Yanquing. (Real)
    11.02.2046. KI-simuliertes Bild der Siegerehrung im Super-G der Frauen in Yangquing. (Fake?)

    Peking, 2046. Die chinesische Hauptstadt richtet als erste Stadt zum dritten Mal die Olympischen Winterspiele aus. Xinhua hat mit dem IOC als offizielle Fotoagentur einen Millionenvertrag abgeschlossen. Andere Fotograf*innen sind nicht zugelassen. Zuschauer*innen auch nicht. Die Ausrichter haben aus den Corona-Erfahrungen gelernt und die Spiele in ein reines TV-Event umgewandelt. Jede*r Athlet*in trägt nun ein Brustarmband, in dem eine versteckte Kamera angebracht ist. Im Smart-TV kann man selbst auswählen, welche Kameraperspektiven man bevorzugt.

    Peking, 2068. Die chinesische Hauptstadt richtet als erste Stadt zum fünften Mal die Olympischen Sommerspiele aus. Die meisten Teilnehmenden können allerdings zu Hause bleiben. Mit Hilfe von Computersensoren auf der Haut der Sportler*innen finden alle kontaktlosen Sportarten in ihrem jeweiligen Heimatort statt und werden per Virtual Reality im Fernsehen zusammengebeamt. Sportfotos für Nachrichtenwebsiten werden mit Hilfe von KI produziert. Im japanischen Nationalmuseum werden digitale Spiegelreflexkameras von Nikon und Canon als technologische Errungenschaften des beginnenden 21. Jahrhunderts ausgestellt.

    Das Beste: Vorhersagen liegen meistens falsch. Lars, was erwartest du für die schreibende Zunft?

  • Deprimierender geht immer

    Puh, das klingt sehr danach, als würden Dich diese Spiele ziemlich runterziehen. Das Halbzeit-Tief bei einer großen Sportveranstaltung, man kennt mittlerweile die Routinen, Abläufe und Busfahrpläne, die erste Aufregung hat sich gelegt – bis zur Abschlussfeier ist es aber noch ein weiter Weg.

    Ist es wirklich so schlimm?

    Flash quotes statt Fragen

    Ich bin natürlich nicht vor Ort in China und habe auch sonst nicht täglich und hautnah miterlebt, wie sich Sportberichterstattung durch Corona verändert hat. Meine Befürchtungen sind Deinen aber grundsätzlich sehr ähnlich. Ich wage auch mal einen Blick in die Zukunft.

    Verbände, Vereine und Veranstalter lassen immer weniger Zugang zu Sportlerinnen und Sportlern zu. Sie produzieren eigenen “Content”, verschicken Statements und “Flash quotes”, anstatt Fragen zuzulassen. Dabei heraus kommen nur Zitate für den Papierkorb, beliebig und glatt: “Wir hatten uns mehr erhofft. Jetzt werden wir alles versuchen, um es beim nächsten Spiel besser zu machen, besonders für unsere tollen Fans.” Oder: “Es ist ein tolles Gefühl, mein Ziel erreicht zu haben. Die harte Arbeit hat sich gelohnt.”

    Interviews mit Spitzenathleten bekommt nur noch, wer sich auf Deals einlässt, die neue Schuh-Kollektion prominent im Artikel erwähnt, die Fragen vorher an den Manager schickt und alles Kontroverse weglässt.

    Man könnte jetzt sagen: Das ist doch längst alles Realität! Das stimmt auch, die Spirale wird sich aber noch sehr viel weiterdrehen.

    Eine kleine Predigt

    So weit, so deprimierend. Andererseits bin ich überzeugt davon, dass es noch einen Platz für kritischen, tiefgehenden, gründlichen, kreativen, eigenständigen Sportjournalismus gibt.

    Oh Gott, das klingt wie eine Predigt.

    Natürlich ist Sport Unterhaltung. Aber er ist eben noch so viel mehr. Und das ist der Grund, warum ich glaube, dass es auch weiter einen Bedarf für gute Texte, gute Fotos, gute Radio-Features, gute Fernsehbeiträge geben wird. Weil sich die Menschen eben nicht nur für das interessieren, was offiziell verlautbart wird und im Sinne der Sponsoren und Shareholder ist. Weil sie echte Menschen erleben wollen, mit denen sie mitfiebern können.

    Wie ist es der Fußball-Nationalmannschaft bekommen, dass sie sich zu einem komplett geglätteten Hochglanzprodukt aufgeschwungen hat? Sind die Länderspiele ausverkauft? Wie sind die Einschaltquoten? Wie war die “Performance” bei den letzten Turnieren?

    Natürlich wird es immer schwerer, guten Sportjournalismus zu machen, besonders für kleine Redaktionen oder Freelancer. Claudio Catuogno, der Sportchef der “Süddeutschen Zeitung”, hat neulich aber sehr gut beschrieben, wie und warum seine Redaktion von diesen Olympischen Spielen berichtet.

    Er schließt seinen Beitrag im Transparenzblog der Zeitung so: “Die SZ wird versuchen, diese Spiele abzubilden, ohne sich mit ihnen gemein zu machen. Viele Themen werden keine Freude machen, das Lesen hoffentlich trotzdem.”

    Nur so kann es funktionieren.

  • Trübe Sicht

    Noch ein Nachtrag zur Zukunft. Das offizielle Motto dieser Spiele lautet: “Together for a Shared Future”. Ich verstehe noch immer nicht, was das heißen soll. Kann man die Zukunft teilen? Kann man sie zusammen teilen? Sind wir nicht alle zwangsmäßig Teil der Zukunft, auch wenn wir nicht unbedingt einen Nutzen daraus ziehen können? Oder sollen wir für eine Zukunft sorgen, in der alle vereint sind? Vielleicht müsste man aus aktuellem Anlass Wladimir Putin fragen. Er muss es wissen. Schließlich möchte er offensichtlich die Zukunft der Ukraine für sich beanspruchen. Putin for Future. Er war einer der wenigen Staatschefs, die bei der Eröffnungsfeier anwesend waren, obwohl Russland als Nation wegen unzähliger Dopingaffären gar nicht starten darf. Der Schriftzug des Mottos ist in Peking überall zu finden, allerdings nur auf Englisch und nicht, wie sonst eigentlich alles, auch oder nur auf Chinesisch. Besonders prägnant finde ich die Tapezierung in der Taizicheng Railway Station, vor der bereits seit einer Woche gänzlich unbewegt eine mehr oder weniger martialische Polizeiausrüstung stationiert ist. Ich habe dieses Foto bereits vier mal gemacht, doch immer, wenn ich von Neuem in den Zug einsteigen will, muss ich wieder abdrücken. Das Bild sieht jedes Mal gleich aus, aber das beiläufige Klicken des Auslösers ist der einzige Weg für mich, mit diesem Spuk-Spruch fertig zu werden.

    13.02.2022. Eine Polizeiausrüstung liegt im Bahnhof Taizicheng vor dem Schriftzug “Together for a Shared Future”.

    Apropos Bahnfahren. Vor der Abfahrt des Zuges in Taizicheng versüße ich mir die Wartezeit mit einem Chrysanthemen-Tee in der noblen Bahnhofslounge. Ich könnte auch auf andere Teesorten zurückgreifen, Red Jujube oder Rose zum Beispiel, aber die Gewohnheit hat bisher dagegen opponiert. Es gibt ebenfalls einen futuristischen Roboter, der exakt dasselbe tut wie eine einfache Filter-Kaffeemaschine, nur wesentlich langsamer. Überrascht hat mich heute früh allerdings der Besuch von Thomas Bach, der sich mit seiner rot und türkis uniformierten IOC-Delegation ebenfalls in der Lounge ausbreiten wollte. Ich habe ein paar Fotos von ihm gemacht. In unserem bewusst vermiedenem Blickkontakt war zu spüren, dass ich gerade wirklich maximal unerwünscht bin. Als dann sein persönlicher Fotograf dazukam, Greg Martin, der mich in Tokyo beinahe die Treppen herunter geschupst hat, weil ich seinem Chef ein paar Zentimeter zu nahe gekommen bin, bin ich dann zügig gegangen. Beim Aussteigen in der Pekinger Station Qinghe wurden dann übrigens alle anderen Fahrgäste im Zug festgehalten, bis Bach und seine Delegation in ihren Autos verschwunden war.

    13.02.2022. IOC-Präsident Thomas Bach wartet in der Lounge des Bahnhofs Taizicheng.
    06.02.2022. Wartelounge im Bahnhof Taizicheng.
    13.02.2022. Zwei Hostessen fertigen Fahrgäste in der Lounge im Bahnhof Taizicheng ab.
    04.02.2022. Eine Roboter-Kaffeemaschine steht in der Lounge im Bahnhof Taizicheng.
    06.02.2022. Chinesen außerhalb des Closed Loops warten auf ihren Zug am Bahnhof Quinghe in Peking.

    Fast den ganzen Tag bin ich heute mit den Medien-Bussen durch Peking gefahren. Ich habe meistens den Bus genommen, vor dem die meisten Menschen warteten, damit meine pseudo-touristischen Unternehmungen möglichst unauffällig bleiben konnten. Durch das Fenster habe ich versucht, einen flüchtigen Eindruck von der Stadt zu bekommen. Sobald wir etwas näher an einigen Menschen vorbeifuhren, habe ich fotografiert. Zumindest auf den Bildern sieht es nun ein wenig so aus, als wäre ich tatsächlich in der Stadt gewesen. In meinem Unterfangen, die Stadt aus der Blase heraus zu erkunden und die unüberwindbare Trennung von drinnen und draußen zu übergehen, fühlte ich mich etwas kriminell. Mein Fotografieren hat etwas spionagehaftes. Kann ich Menschen so zeigen, obwohl sie mich gar nicht bemerkt haben? Müssen meine Bilder in ihrer systembedingten Oberflächlichkeit nicht komplett belanglos sein? Oder übe ich so bereits einen stillen Protest gegen das System der totalen Abschottung aus? Und trägt der Busfahrer nicht eine gewisse Co-Autorenschaft? Ich kann zumindest die Buslinien nennen: TG-B-35, TG-B-09, TG-B-33, TG-B-31. Danke, TG-B-Wasauchimmer!

    13.02.2022. Blick aus dem Bus der Linie TG-B-33 auf die Straßen von Peking.
    13.02.2022. Blick aus dem Bus der Linie TG-B-09 auf die Straßen von Peking.
    13.02.2022. Blick aus dem Bus der Linie TG-B-35 auf die Straßen von Peking.
    13.02.2022. Blick aus dem Bus der Linie TG-B-09 auf die Straßen von Peking.
    13.02.2022. Blick aus dem Bus der Linie TG-B-33 auf die Straßen von Peking.
    13.02.2022. Blick aus dem Bus der Linie TG-B-35 auf die Straßen von Peking.
    13.02.2022. Blick aus dem Bus der Linie TG-B-09 auf die Straßen von Peking.
    13.02.2022. Blick aus dem Bus der Linie TG-B-09 auf die Straßen von Peking.
    13.02.2022. Blick aus dem Bus der Linie TG-B-31 auf die Straßen von Peking.
  • Ende der Funkstille

    Okay, ganz kurz, zwei Sachen fallen mir spontan zu Deinem Post und den Fotos ein. Erstens: “Die Zukunft ist das neue Ding” – diesen Slogan trage ich seit Jahren im Kopf mit mir rum, vielleicht kann ich ihn für ein paar Milliönchen ans IOC verkaufen, für die nächsten Spiele. Mit dem Motto kann sich wirklich jeder identifizieren, lebensbejahend, optimistisch, dynamisch. Herr Bach, rufen Sie mich an, ich mach guten Preis!

    Zweitens: In meinem Einführungstext für diesen Blog, da saßt Du noch nicht mal im Flugzeug Richtung China, habe ich Dich als “blinden Passagier” im Raumschiff Olympia bezeichnet. Es macht mich ein bisschen stolz, dass Du diese Prophezeiung jetzt tatsächlich in die Tat umgesetzt hast und Dich wie ein Spion in möglichst vollen Bussen durch Peking kutschieren lässt, um heimlich Fotos von Passanten und anonymen Straßenecken zu machen.

    Lass Dich nicht erwischen oder irgendeine Treppe runterschubsen!

    Achso, Sport ist cool

    Und drittens, in eigener Sache: Sorry, hier war ein paar Tage Funkstille von mir, weil ich selber mal Sport gemacht habe. Auch um mich zu erinnern, wieso das so eine wichtige, unglaublich schöne und großartige Sache ist (man vergisst das ja fast, wenn man nur über Thomas Bach und die Zukunft nachdenkt). Von den Norddeutschen Basketballmeisterschaften in der Altersklasse Ü40 in Wolfenbüttel bin ich jedenfalls als Champion zurückgekehrt. Eine Goldmedaille gab’s nicht, dafür aber große Emotionen und Knieschmerzen.

    13.02.2022. BG Zehlendorf, Norddeutscher Ü40-Meister 2021/22, fotografiert in der Lessing-Realschule Wolfenbüttel. Von links nach rechts: Bürobobo, Rooftop, Honigprinz, Flo, Nikipedia, Mattiboy, Lars E. Fresh, Frank the Tank, Loepigoal, Michel, Most Valuabe Draeger.
  • Überdruss im Überfluss

    Ich weiß gar nicht mehr, wie viele Male ich in den letzten Tagen im Genting Snow Park war. Gleiches gilt für einige andere Sportstätten. Ich sehe Schnee, Skipisten und Sportler*innen wahlweise mit zwei Skiern oder nur einem großen Ski. Das nennt sich dann Snowboard. Manchmal sind die Skier auch nur so kurz wie die Füße und der Schnee vereist. Das nennt sich dann Eislaufen. Ein Glück war ich noch nicht beim Curling.

    Der Überdruss ist da. Die ständige Wiederholung ist der größte Feind der Naivität. Die Gewohnheit macht die Augen müde, selbst wenn der Körper gut geschlafen hat. Jeden Tag: Ein Corona-Test. Jeden Tag: Dasselbe Frühstück. Jeden Tag: Die selben Sportstätten. Jeden Tag: Die selben Menschen, die selben Uniformen, die selben Sportarten, die selben Überwachungskameras. Im Kampf gegen den Überdruss versuche ich, meinen Blick auf das zu richten, was durch die Wiederholung längst banal geworden ist. Den Überfluss des Überdrusses. Doch das unglaubhafte Leben in der Olympia-Blase erscheint das Normalste auf der Welt geworden zu sein. Es ist, als wäre es schon immer so gewesen.

    Dann schneit es auf einmal in der Stadt, in der sonst das Wasser so knapp ist. Die Normalität ist für einen Moment gebrochen. Der Schnee vom Himmel stiehlt dem Schnee aus der Kanone die Show. Schneeschippen auf der Skipiste. Verschobene Wettbewerbe. Heute schien wieder die Sonne. Alles wieder normal, wiederholt, wieder überdrüssig.

    Nur der Blick auf die weiten Berge stört den Lauf der Dinge. Er enthüllt hin und wieder den Wunsch, endlich auszubrechen aus dem Closed Loop, dieser offenen Gefangenschaft. Einfach loslaufen. Über die Berge in das nächste Dorf. Fernab vom Flutlicht der Arenen. Irgendwo, wo China nicht nur China heißt, sondern auch China ist. Wo auch immer das sein mag. Across the Great (Olympic) Wall. Das wärs.

    13.02.2022. Zwei Menschen laufen über den eingeschneiten Medal Plaza in Peking.
    13.02.2022. Sanitäter warten auf ihren Einsatz beim Eishockey Spiel zwischen USA und Deutschland im Wukesong Sport Center in Peking.
    13.02.2022. Ein Mann befreit die Stufen seines Busses vom Schnee in der Nähe vom Olympiastadion Peking.
    13.02.2022. Head Coach David Quinn (USA) kommt nach dem 2. Viertel aus der Kabine beim Spiel zwischen USA und Deutschland im Wukesong Sport Center in Peking.
    12.02.2022. Eine Straßenüberbrückung trennt den Closed Loop (unten) von dem Bereich, in dem die Zuschauer sich bewegen dürfen (oben) in Zhangjiakou.
    12.02.2022. Mitglieder des chinesischen Olympiateams beobachten die 4x5km Staffel beim Ski Langlauf im Ski Cross Center in Zhangjiakou.
    12.02.2022. Absperrungen trennen den Closed-Loop von der Außenwelt beim Skispringen der Männer von der Großschanze in Zhangjiakou.
    12.02.2022. Alle Automarken, die nicht den offiziellen Sponsorenmarken bei Olympia entsprechen sind überklebt.
    14.02.2022. Corona-Test im Prince Hotel in Zhangjiakou.
    14.02.2022. Frühstück im Prince Hotel in Zhangjiakou.
    14.02.2022. Absprung beim Team-Wettbewerb im Skispringen von der Großschanze in Zhangjiakou.
    14.02.2022. Zhen Weijie (China) umarmt ein Volunteer beim Team-Wettbewerb im Skispringen von der Großschanze in Zhangjiakou.
    14.02.2022. Hotel am Genting Snow Park.
    14.02.2022. Ein chinesischer Journalist liest das Buch “Geschichte” von Huang Renyu, ein chinesisch-amerikanischer Philosoph, im Presseraum beim Team-Wettbewerb im Skispringen von der Großschanze in Zhangjiakou.
    14.02.2022. Service-Mitarbeiter beobachten die Aerials im Genting Snow Park.
    14.02.2022. Anna Derugo (Belarus) vor dem Start bei den Aerials im Genting Snow Park.
    14.02.2022. Sportlerinnen fahren mit dem Lift zum Start bei den Aerials im Genting Snow Park.

    P.S.: Glückwunsch, lieber Lars E. Fresh, zu deinem Titel. Norddeutscher Meister im Basketball der Ü40 Senioren klingt fast so spektakulär, wie wenn ein Rodler aus Deutschland Olympia-Gold gewinnt. Ihr habt wirklich allen Grund zur Freude.

  • Perlen der Monotonie

    Wie viele Bilder hast Du seit Deiner Ankunft schon gemacht? Wie oft auf den Auslöser gedrückt? Wie viele Momente dieser Olympischen Spiele festgehalten, wie viele gleich wieder gelöscht?

    10.000? 100.000? Mehr?

    Ich frage das, weil Du so sehr unter der Monotonie leidest. Kein Wunder, die Blase hat Dich gefangen, der Loop hat sich eng um Dich geschlossen, kein Entkommen.

    Die Ausbeute des Tages

    Hier nun die Aufmunterung: Bei mir kommen tolle Bilder an! Das mag für außenstehende Leserinnen und Leser komisch klingen, wie Eigenlob oder Schleichwerbung, schließlich ist der Blog ein gemeinsames Projekt. Aber auch ich weiß ja nicht, welche Eindrücke mich jeden Tag erwarten.

    Insofern fand ich die heutige Ausbeute beachtlich. Die fünf Sanitäter, die wie Brüder aufgereiht nebeneinander sitzen. Der Eishockeytrainer in den Katakomben der Halle, neben dem Videoscreen mit der Statusmeldung “Athlete moment. End of stream”. Die belarussische Skifahrerin in ihrem knallbunten Anzug, sie ist mittendrin in diesen Spielen und wirkt doch irgendwie verloren.

    Zwei Bilder des Tages haben mir besonders gut gefallen. Erstens: die Corona-Teststelle. Davon hast Du ja schon viele fotografiert, bei dieser hat mich ein Detail vor dem Laptop auflachen lassen: die Werbung am linken Bildrand, junge fröhliche Menschen, darüber ein Raketenstart und ein völlig sinnlos rumschwebender Astronaut. Irgendwie ist der Kontrast zu den Männern in den Hygiene-Outfits wunderbar, die haben ganz ähnliche Anzüge, fliegen aber garantiert nirgendwohin.

    Zweitens: die Skisprungschanze. Das Licht, die doofen Metallstreben überall, in Reih und Glied geordnete Laubbläser, die Atemwolken vor den Gesichtern der Trainer, irgendwo dahinten springt einer, die meisten Menschen auf dem Foto gucken aber nicht mal hin. Herrlich absurd.

    Insofern: Augen auf und durch, die letzte Woche läuft schon.

  • Menschen aus Drohnen

    Es gibt so viel, das schon über Eileen Gu geschrieben wurde. Selten geht es dabei um ihre außergewöhnlichen sportlichen Leistungen. Allen voran die unmögliche doppelte Staatsbürgerschaft. Nach ihrer Goldmedaille im Big Air sei sie auf der darauffolgenden Pressekonferenz sieben Mal gefragt worden, ob sie ihren amerikanischen Pass zu Gunsten des chinesischen abgegeben hätte. Keine Antwort. Nur Phrasen. “Wenn ich in China bin, bin ich Chinesin. Wenn ich in den USA bin, bin ich Amerikanerin. Alles, was ich mache, ist junge Jugendliche zu motivieren, Ski zu fahren. Das ist meine Mission.” Na klar. Am Tag nach ihrem ersten Medaillengewinn wurde in Hainan ihr zu Ehren eine Lichter-Show abgehalten, bei der ihr Gesicht mit 500 Drohnen in die Luft projiziert wurde. Jüngst erhielt sie Anschuldigungen auf ihrem Instagram-Kanal, was sie denn für eine Chinesin sei, die so viele Privilegien besitze, wie zum Beispiel den Zugriff auf freies Internet. Überhaupt kann man auf Gus Instagram den Eindruck bekommen, das Skifahren wäre eher eine Nebensache. Es überwiegen Bilder für Modemarken, Sekt, Uhren, Kosmetik oder Getränkehersteller. Hier und da taucht sie auch als Sportlerin auf.

    Was auch immer Gu tut, dürfte sich sprichwörtlich auszahlen. Was sie tut ist: Skifahren, und zwar wirklich überragend. Viel reden, nicht tiefsinnig, aber stets PR-proof. Und immer posiert lächeln, jedem geopolitischem Hickhack zum Trotz und selbst in meine unauffällig gehaltene Kamera. (Wer nutzt hier eigentlich wem?) Vor und während ihres Wettkampfes im Slopestyle bin ich ihr etwas gefolgt. Das ist eher untypisch für mich, liegt doch mein Fokus eher auf den “Perlen der Monotonie”, wie du, Lars, keinen besseren Titel hättest finden können. Aber mich fasziniert dennoch die Aura eines Topstars, wie sie Eileen Gu spätestens seit diesen Winterspielen umgibt. Was macht es mit einem Menschen, wenn ununterbrochen über ihn geredet wird? Was macht es mit einem Menschen, der in der Mixed Zone circa 20 Mal hintereinander fast identische Fragen gestellt bekommt? Was macht es mit einem Menschen, der erst 18 Jahre alt ist, dessen Abbildungen aber viele Millionen Mal öfter gesehen werden als er selbst? Habe ich also wirklich einen Grund, zu dieser Bilder-Lawine noch etwas hinzuzufügen? Bediene ich mich nur ihrer schon vorhandenen Aura oder verstärke ich ihren auratischen Schein noch weiter? Lars, kannst du diese Aura sehen? Oder bilde ich mir das alles nur ein?

    14.02.2022. Eileen Gu (China) im Genting Snow Park nach ihrem Vorlauf im Ski Cross Slopestyle.
    14.02.2022. Eileen Gu (China) beim Training im Ski Freestyle auf der Halfpipe im Genting Snow Park.
    15.02.2022. Zuschauer beobachten Eileen Gu (China) beim Ski Freestyle Slopestyle im Genting Snow Park.
    Eileen Ailing Gu (China) gewinnt Silber im Ski Freestyle Slopestyle im Genting Snow Park bei den Olympischen Winterspielen in Peking, China, 15.02.2022.
    15.02.2022. Eileen Ailing Gu (China) bei ihrem letzten Sprung im Ski Freestyle Slopestyle im Genting Snow Park.
    15.02.2022. Eileen Ailing Gu (China) gewinnt Silber im Ski Freestyle Slopestyle im Genting Snow Park und wird von Sicherheitsleuten abgeschirmt.
    15.02.2022. Eileen Ailing Gu (China) gewinnt Silber im Ski Freestyle Slopestyle im Genting Snow Park und wird danach auf einer Pressekonferenz befragt.
    15.02.2022. Eileen Ailing Gu (China) gewinnt Silber im Ski Freestyle Slopestyle im Genting Snow Park und wird von Sicherheitsleuten abgeschirmt.

  • Ruhm und Leere

    Definiere “Aura”. Wenn ich Dein Porträt von Eileen Gu anschaue, muss ich sagen: Ja, da ist irgendwas. Etwas, das mich anspricht, das mich interessiert.

    Woher das kommt? Schwer zu sagen. Höchstwahrscheinlich hat es damit zu tun, dass Eileen Gu trotz ihres jugendlichen Alters ein Medienprofi ist. Dass sie inzwischen weiß, wo die Menschen mit den Kameras sind. Dass jedes Foto zu dem Gesamtbild beiträgt, das sie in der Öffentlichkeit für sich aufbaut.

    Bolt, Jordan, Maradona – Gu?

    Andererseits: “Aura” kann man nicht lernen. Wenn Usain Bolt ein Stadion betrat, mussten alle 70.000 Menschen hinschauen, immer. Bei Michael Jordan und Maradona war das genauso. Ich will Eileen Gu bestimmt nicht auf eine Ebene mit diesen drei Ikonen stellen, aber von allein entsteht so eine Faszination nicht.

    Bei ihr kommt natürlich das gewaltige Hintergrundrauschen dazu, die politische Ebene, die Erwartungshaltung in China, die Sponsoren. Aber ich gebe zu: Ich wusste fast nichts von all dem, als ich Dein Bild von Eileen Gu vorhin das erste Mal gesehen habe (es lief über unseren automatischen Foto-Feed im Redaktionssystem ein). Trotzdem habe ich instinktiv draufgeklickt.

    Eigentlich sind Fotografen doch dankbar für fotogene Menschen, oder? Wie fandest Du es, Bolt abzubilden, den hat man schließlich doch auch schon hunderttausende Male gesehen hatte? Wieso wolltest Du Dir von ihm auch noch ein eigenes Bild machen?

    Olympia – und was dann?

    Auf Deine Frage, wie es Eileen am Ende dieses ganzen Trubels gehen wird, kann ich nur eine Vermutung anstellen: Es wird ihr scheiße gehen. Michael Phelps hat in einer TV-Dokumentation mal gesagt, er habe nach seiner Karriere eine “dramatische Leere” gespürt, eine “post-olympische Depression”. Turnerin Simone Biles machte bei Olympia in Tokio öffentlich, wie sehr ihr die immense Erwartungshaltung zugesetzt hatte.

    Um ganz klar zu sein: Natürlich wünsche ich Eileen Gu (und allen anderen Athletinnen und Athleten), dass ihr so etwas erspart bleibt.

    Der “New York Times” hat sie neulich in einem Video-Interview zum Thema “Angst” gesagt, sie müsse sehr vorsichtig sein, mit wem sie ihre Geheimnisse teile. Vielleicht macht das unsere Faszination mit diesen Stars aus: Wir hoffen, sie in einem Moment zu erwischen, in dem sie uns etwas Neues offenbaren. Gerade weil wir denken, wir wüssten schon alles über sie.

  • Tee-Party, rein zufällig

    Nach dem Eiskunstlauf im Capital Indoor Stadium war es schon spät. An diesem Ort begannen 1971 mit einer Serie von Tischtennisspielen zwischen Teams aus China und den USA die diplomatischen Beziehungen beider Länder als “Ping-Pong-Diplomacy”. Nun startete Kamila Valieva, die vielleicht doch nicht gedopte 15-Jährige aus Russland, erst um kurz vor 22 Uhr. Von dem ungeheurem Druck, der seit dem Bekanntwerden eines positiven Doping-Tests auf ihren Schultern liegen muss, ließ sie sich nicht beeindrucken und gewann das Kurzprogramm. Sobald sie auf dem Eis war, erfüllte das Surren dauerhaft gedrückter Fotokameraauslöser die Arena, bis sie nach ihrer Vorstellung wieder hinter einem Vorhang verschwand.

    Ich entschied mich, auf eine dreistündige Heimfahrt mit dem Bus zu verzichten und eine Nacht im Pekinger Main Media Center zu verbringen und übernachtete in einer der Schlafkabinen, die nur mit einem WeChat Account zu öffnen sind. Im Pressezentrum herrschte eine seltsame Stimmung. Nur einige Putzkräfte sind die ganze Nacht durch am Arbeiten, sonst ist nach Mitternacht fast niemand mehr anzutreffen. In Dauerschleife laufen die TV-Aufnahmen der Bob-Wettkämpfe über die Bildschirme und mit ihnen dringen die Signaltöne unaufhörlich durch die Messehallen, die beim jedem Start im Eiskanal erklingen: Ein sanftes Pip-pip-pip-düüüüüt, das sich beinahe elegant zum Rauschen der nimmermüden Rolltreppen gesellt.

    15.02.2022. Journalist*innen fahren nach dem Wettkampf im Eiskunstlaufen im Capital Indoor Stadium zum Main Media Center.
    15.02.2022. Securities bewachen das Eintreffen der Zuschauer ins Capital Indoor Stadium.
    15.02.2022. Blick aus dem Bus auf das Capital Indoor Stadium.
    15.02.2022. Kamila Valieva (Russland) wartet auf ihren Einsatz beim Kurzprogramm im Eiskunstlaufen im Capital Indoor Stadium.
    15.02.2022. Kamila Valieva (Russland) beim Kurzprogramm im Eiskunstlaufen im Capital Indoor Stadium.
    15.02.2022. Ein Mann sitzt in einer Kaffee-Bar bei Nacht im Main Media Center.
    15.02.2022. Eine Putzkraft fährt nachts auf einer Rolltreppe im Main Media Center.
    15.02.2022. Ein Mann arbeitet nachts in einer Kaffee-Bar im Main Media Center.
    15.02.2022. Schlafkabinen bei Nacht im Main Media Center.
    16.02.2022. Ein Mann säubert Serviertabletts, die das Essen automatisch über ein Transportsystem in der Decke zum Gast bringen in der Dining Area im Mein Media Center.

    Am nächsten morgen besuche ich vor meiner Rückfahrt in die Berge eine sogenannte virtuelle Stadtführung durch die alten Dörfer in Fujian. Treffpunkt: Ein kleiner Raum, ausgestattet mit zwei Bildschirmen, diversen Panda-Bildern an der Wand einer Hand voll Klappstühlen. Ein Kontrast zum sonst so pompös-repräsentativen Messebau des Medienzentrums, in dem sich dieser Raum befindet. Über eine aufwändig produzierte Zoom-Liveschalte präsentiert eine Moderatorin einen Ort, in dem die Zeit seit ein paar tausend Jahren stehengeblieben zu sein scheint. Menschen bauen Regenschirme aus Ölpapier, trinken Tee aus feinem Porzellan, musizieren auf uralten Flöten, arbeiten mit einzigartigen Steinstempeln und spielen mit bunten Marionetten. Dann dürfen wir, kein dutzend Gäste, Fragen stellen. “Wie viel kostet ein Öl-Papier-Schirm?”, möchte jemand wissen. “Welche Dialekte spricht man in Fujian?”, fragt ein anderer. Dann mein Einsatz. “Sind die Menschen, die wir in den Dörfern sehen, echte Einwohner oder Schauspieler?” Im Raum lachen alle, auch die Einheimischen. Die Moderatorin wirkt verlegen, nimmt sich einen Moment Bedenkzeit, und holt zur Antwort aus. “Das sind alles normale Menschen, die hier leben und auch zufällig gerade eine Tee-Party machen”, erklärt sie mit leicht ernster Miene. Ich habe mich herzlich für die Auskunft bedankt.

    16.02.2022. Journalist*innen können an einer virtuellen Führung über über Zoom durch die Fujian Siedlung im Main Media Center teilnehmen.
    16.02.2022. Ein Übersetzer sitzt in seiner Kabine bei der täglichen Pressekonferenz des IOC im Main Media Center.
    16.02.2022. Chinesische Zuschauer*innen winken von der Brücke außerhalb des Closed Loops zu Service-Mitarbeitern innerhalb des Closed Loops an der Skilanglauf Arena in Zhangjiakou.
    16.02.2022. Volunteers nehmen Ben Ogden (USA) nach dem Teamsprint im Skilanglauf in Zhangjiakou die Zeitmessgeräte ab.
    16.02.2022. Ein Volunteer räumt die Streckenmarkierungen von der Strecke auf der Skilanglauf-Strecke in Zhangjiakou.
    Akito Watabe (Japan) beantwortet mit einem Sicherheitsabstand Fragen von Journalist*innen in der Mixed Zone nach dem Gewinn der Bronze-Medaille in der Nordischen Kombination.
    16.02.2022. Soldaten hissen die Flaggen bei den Siegerehrungen auf dem Medals Plaza in Zhangjiakou.
  • Kein Entkommen

    Die Frage, die Du in Deinem heutigen Post aufwirfst, scheint mir eine gute Leitfrage für diese Winterspiele zu sein: Sind das echte Menschen? Oder vielleicht doch nur Schauspieler?

    Natürlich ist der Kaffeeverkäufer im Media Center echt, genauso wie die Volunteers, die Sportler, die Soldaten. Aber ich habe das Gefühl, dass Deine Bilder immer surrealer werden, je länger diese Spiele dauern. Wer hat sich diese Schlafkabinen ausgedacht? Wer nutzt die freiwillig?

    Der closed loop hatte ja schon von Beginn an surreale Züge, inzwischen hat er sich anscheinend zu einer Endlosschleife entwickelt, ein olympischer Albtraum, kein Entkommen.

    Ein Plot für einen Film

    Ich will Dir keine Angst machen, bald haben die Spiele ein Ende. Deine Fotos aber könnten auch aus einem Script zu einem Film sein. Der Plot: Ein junger Fotograf reist zu den Olympischen Spielen. Irgendwann merkt er, dass die Wettbewerbe nicht aufhören, dass jeden Tag neue Disziplinen auf dem Programm stehen, dass die Zugfahrten und Busreisen immer länger werden, die Pressekonferenzen sich wiederholen.

    Auf das 50-Kilometer-Langlaufrennen folgt ein 60-Kilometer-Rennen, auf die Eiskunstlauf-Kür die Pflicht und dann noch eine Kür und dann das Kurzprogramm und ein Langprogramm und dann der Mixed-Wettbewerb. Ich stelle mir den Film ein bisschen wie “Lost in translation” vor, nur kafkaesker.

    Also ich würde das gucken. Aber ich lebe ja auch nicht im closed loop.

  • Streaming Olympics

    Wo du schon von Plot-Plänen sprichst, lieber Lars, habe ich den passenden Agenten für dich. Timo Lumme, Fernseh- und Marketingdirektor beim IOC, verkündete kürzlich stolz auf einer Pressekonferenz, dass diese Olympischen Spiele, die er “Streaming Olympics” nennt, bereits von 600.000.000 Menschen in China im Fernsehen gesehen worden seien. Sechs – Hundert – Millionen. Das ist mehr, als die Gesamtbevölkerung der Europäischen Union. Zum Vergleich: Ein Sprecher von acrossthegreatwall.de verkündete kürzlich auf einer Pressekonferenz, das dieser Blog bereits von 3.000 Menschen angeschaut wurde. Drei – Tausend. Das sind mehr Menschen als in – lassen wir das lieber. Experten gehen allerdings davon aus, dass diese Zahlen in den nächsten Tagen noch deutlich steigen werden. Zurück zu Lumme: Zusammengerechnet sei die Anzahl der insgesamt konsumierten Fernsehstunden bereits jetzt höher als bei den vergangenen beiden Winterspielen in Sochi und Pyeongchang zusammen. Gratuliere, Timo, hast du gut gemacht!

    Und du kannst mich auch noch dazuzählen, denn im Grunde beobachte ich sogar vor Ort in den Arenen einen Großteil der Wettbewerbe über Live-Übertragungen auf Bildschirmen. Das ist überaus praktisch. Denn die Sportler*innen sind in der Regel meilenweit von mir entfernt. Wenn sich doch mal eine Skifahrerin nähert, verschwindet sie gleich wieder hinter der nächsten Kurve. Der Bildschirm hingegen steht immer am selben Fleck, liefert zuverlässig knackscharfe Bilder vom jeweiligen Rennen und blendet ganz automatisch auch noch sämtliche Infos ein. Und es ist spektakulär. Neulich beim Snowboard-Cross fuhren fast alle Fahrer mit einer Helm-Kamera. Immer, wenn einer von ihnen stürzte, wurde das Bild dieser Kamera eingeblendet. Wie SciFi, nur besser. Dazu sind in fast jeder Wettkampfstätte hunderte Kameras in einem Ring aufgebaut, die in Echtzeit 360°-Animationen vom Absprung im Skispringen oder der vierfachen Pirouette im Eiskunstlauf liefern. Kein modernes Videospiel kann bei diesem Anblick mithalten.

    Harry Gruyaert, ein belgischer Magnum-Fotograf, hat die Dominanz des Mediums Fernsehen schon in den 70ern klug kommentiert. Bei den Olympischen Spielen 1972 in München saß er gemütlich vor seinem heimischen Fernseher und fotografierte den damals noch flimmernden Röhrenbildschirm. Seine Bilder sind großartig. Kein Expressionist hätte das besser malen können.

    Heute stehe ich vor einem 8K-Fernseher im Main Media Center, dessen Abmessungen knapp 10×15 Meter betragen dürften. Man kann an ihn bis auf wenige Schritte Entfernung herantreten und sieht noch immer ein scharfes Bild, auch wenn man den Bildschirm dann gar nicht mehr überblicken kann, sondern an Details hängen bleibt – von Kratzern im Eis, gefrorenen Augenbrauen und Skistöcken im Schnee. Mit ihrer Technik ist das Fernsehen dem Sport selbst längst überlegen. Die Körper aus Fleisch und Blut sind biologisch limitiert, doch die Kameras aus Linsen und Microchips werden immer besser. The medium is the message.

    Gerne würde ich Timo Lumme fragen, wie er es mit der Fotografie hält. Ob er manchmal, wie Peter Schols, die stehenden Bilder bewegender findet als die bewegten. Warum das IOC überhaupt noch so viele Fotograf*innen zu ihren Events lässt. Sie haben es eigentlich nicht nötig.

    13.02.2022. Ein Mann beobachtet den Wettbewerb im Short Track auf einem großen Bildschirm im Main Media Center.
    16.02.2022. Ein Kameramann filmt bei den Siegerehrungen auf dem Medals Plaza in Zhangjiakou.
    15.02.2022. Ein Bildschirm zeigt einen Wettbewerb im Eisschnellauf in der Bahnstation Quinqe.
    12.02.2022. Kameramänner präparieren eine Kamera beim Ski Langlauf im Ski Cross Center in Zhangjiakou.
    12.02.2022. Ein Bildschirm steht im Zieleinlauf beim Snowboard Cross im Genting Snow Park.
    08.02.2022. Ein Fahrer vom Olympic Broadcast Service sitzt auf seinem Schneemobil beim Parallel Giant Slalom im Genting Snow Park.

    Trotz aller Fernseh-Furore habe ich heute dennoch wirklich tollen Sport gesehen, mit eigenen Augen und ganz unmittelbar. Beim Eishockey-Finale der Frauen zwischen Kanada und den USA saß ich gebannt hinter der Bande und habe voller Freude auf’s Eis geschaut. Der Bildschirm im Videowürfel unter dem Hallendach war ausnahmsweise völlig unnütz. Auch habe ich keine Kameras in den Helmen der Spielerinnen installiert. Ich denke, meine Bilder sind dennoch ganz gut geworden.

    17.02.2022. Lichtershow vor dem Eishockey Finale der Frauen zwischen Kanada und den USA im Wukesong Sports Center.
    17.02.2022. Sarah Fillier (Kanada) kämpft um den Puk beim Eishockey Finale der Frauen zwischen Kanada und den USA im Wukesong Sports Center.
    17.02.2022. Volunteers öffnen den Vorhang für die Spielerinnen beim Eishockey Finale der Frauen zwischen Kanada und den USA im Wukesong Sports Center.
    17.02.2022. Journalisten sitzen im Presseraum beim Eishockey Finale der Frauen zwischen Kanada und den USA im Wukesong Sports Center.
    17.02.2022. Kanadische Spielerinnen jubeln Eishockey Finale der Frauen zwischen Kanada und den USA im Wukesong Sports Center.
    17.02.2022. Cayla Barnes (USA) sitzt frustriert auf der Bank nach dem Eishockey Finale der Frauen zwischen Kanada und den USA im Wukesong Sports Center.
    17.02.2022. Kanadische Spielerinnen feiern mit Angehörigen vor dem “Athlete Moment” Videocall nach dem Sieg beim Eishockey Finale der Frauen zwischen Kanada und den USA im Wukesong Sports Center.

  • Unterschätzt: die eigenen Augen

    Dein Text erinnert mich an eine Szene, die ich mal im Fußballstadion in München erlebt habe (zumindest habe ich sie so in Erinnerung, es ist eine Weile her). Der FC Bayern spielte gegen irgendwen, ich saß auf der Pressetribüne, umgeben von FCB-Berichterstattern und Fußballexperten (ich meine das nicht despektierlich, die Kollegen hatten wirklich 100 mal mehr Ahnung als ich).

    Im Spiel kam es zu einer strittigen Szene, ein Foul an der Strafraumgrenze, eine hauchdünne Abseitsentscheidung, irgendwie sowas. Einer der Reporter, er war eine Art Taktik-Experte einer renommierten Münchner Tageszeitung mit nationaler Verbreitung, starrte lange auf das Spielfeld, dann auf einen der kleinen Bildschirme, die in den Reihen der Pressetribüne angebracht waren. Aber auch diese etwa DinA4-großen Screens konnten ihm nicht die definitive Erklärung geben, die er dringend für seinen Spielbericht brauchte.

    Ich konnte förmlich sehen, wie es in ihm arbeitete: Einerseits wollte er seinen Arbeitsplatz nicht verlassen, andererseits MUSSTE er einfach wissen, ob der Schiedsrichter falsch oder richtig gelegen hatte. Mit einem Fluch sprang er schließlich auf und rannte in einen angrenzenden Presseraum, in dem ein größerer Bildschirm hing.

    Um zu erkennen, was auf dem Rasen passiert war, musste er dem Rasen den Rücken kehren.

    Kameras konzentrieren sich meist auf die Sieger

    Trotz dieser Episode und trotz des Streaming-Lobgesangs des IOC: Ich halte es für unerlässlich, dass Reporter und Reporterinnen selbst ins Stadion gehen. Dort gibt es vielleicht keine Superzeitlupen, dafür kann man seine eigenen Augen benutzen. Zum Beispiel, um nicht nur die Spitzengruppe im Blick zu behalten. Oder um bei einer Basketballpartie zu beobachten, mit welchem Gesichtsausdruck ein ausgewechselter Spieler auf der Bank Platz nimmt. Die Kameras konzentrieren sich außerdem meist auf die Sieger, die Besiegten finde ich aber oft viel spannender.

    Diese Olympischen Spiele habe ich kaum einmal klassisch am Fernseher verfolgt. Was ich mir anschaue, sind oftmals Schnipsel, Wettkampf-Zusammenfassungen, das “Beste vom Tag”. Insofern weiß ich Streaming durchaus zu schätzen. Aber es ist, wie Du schreibst: Die Präsentation bekommt dadurch etwas Videospiel-artiges. Der Schnee staubt in Slow-Motion, die Pirouette wirkt in Großaufnahme unwirklich.

    Das Gefühl ist weg

    Die Pandemie hat uns das Live-Gefühl geraubt. Es ist so viel bequemer, Sport von der Couch zu verfolgen, on demand. Ich hoffe aber wirklich, dass bald eine Zeit anbricht, in der ich wieder mit Freude in ein Stadion oder eine Sporthalle gehe. Kein Highlight-Schnipsel kann die Dramaturgie ersetzen, die ein komplettes Spiel oder ein kompletter Wettkampf erzeugt.

    Das hat natürlich mit Nostalgie zu tun, aber auch mit etwas, das ich hochtrabend “Seele des Sports” nennen würde. Es geht eben nicht nur um den Zielsprint, die perfekte Landung, das entscheidende Tor. Das Vorher, das Nachher, das drumherum – das alles ist mindestens genauso wichtig.

  • Die Seele des Sports ist unantastbar

    Die Seele des Sports also. Nun holst du aber die großen Wörter raus. Die Seele des Sports klingt pathetisch, fast religiös erhaben. Frei nach Artikel 1: Die Seele des Sports ist unantastbar. Womöglich steht das schon in der IOC Charter, und wenn nicht, hat das bestimmt irgendjemand schon mal gesagt. Ich habe heute immer wieder an diese Wörter gedacht. Ich weiß zwar nicht, ob der Sport eine Seele hat, aber ich lege mich fest: Man kann sie nicht sehen. Zumindest habe ich sie heute nicht gefunden. Aber mir ist Guillaume Martin wieder in den Sinn gekommen. Er ist Radprofi und Philosoph, keine schlechte Kombi. Radfahren ist für Martin ein absurdes Unterfangen. Man trifft sich mit anderen Mitstreitern an einer Startlinie und fährt dann einen Rundkurs, um wieder am selben Ort anzugelangen. Es ist “ein Kreislauf, der sich selbst erschafft und sich seinen eigenen Sinn verleiht”. Nach der Seele des Sports zu suchen ist vermutlich ebenso absurd wie mit dem Fahrrad im Kreis zu fahren, aber vielleicht liegt genau in dieser Absurdität die eigentliche Daseinsberechtigung. Übrigens ist Martin auch ein Vertreter von La Mettrie, einem weiteren französischen Philosophen, der Mitte des 18. Jahrhunderts den bis heute verbreiteten Dualismus aus Leib und Seele abstritt mit einem Buch, dessen Name Programm ist: Der Mensch, eine Maschine. Das scheint nicht wirklich für eine Seele des Sports zu sprechen – oder gerade doch?

    Der Tag im Schnelldurchlauf: Eileen Gu gewinnt schon wieder Gold, diesmal in der Halfpipe, und erzählt wie immer in bester PR-Manier, dass sie Jugendliche auf die Skier bringen will. Talent sei nicht bedeutsam, mit Fleiß erreiche man alles. Auf die Frage nach der Seele des Sports hätte sich sicher auch eine gute Floskel parat. Und bei minus 30°C und noch kälteren Windböen gewinnen Norweger*innen bei zwei Massenstarts vier von sechs Medaillen. Danach: Erste Verabschiedungen mit Kolleg*innen. Volunteers wollen Selfies mit mir machen. Das mongolische Fernsehen bittet mich um ein Interview und fragt, wie ich den Kaffe in Peking finde. Nicht gut übrigens. Und ich sitze beim Schreiben dieses Textes erschöpft vor einem Bildschirm im Genting Grand, dessen Fußboden ebenfalls mit einem Bildschirm ausgestattet ist, der Strandanimationen zeigt. Es bleibt absurd, so viel ist klar.

    18.02.2022. Ski Freestyle Finale der Frauen in der Halfpipe im Genting Snow Park.
    18.02.2022. Ein Mann hält eine chinesische Flagge in der Hand, während seine Kollegen das Podest der Siegerehrung nach dem Ski Freestyle Finale der Frauen in der Halfpipe im Genting Snow Park aufräumen.
    18.02.2022. Volunteers wollen Eileen Ailing Gu (China) sehen beim Ski Freestyle Finale in der Halfpipe im Genting Snow Park.
    18.02.2022. Volunteers bringen Sebastian Samuelsson (Schweden) Zeitmessgeräte an vor dem Massenstart in der Biathlon Arena in Zhangjiakou.
    18.02.2022. Kameramänner vom OBS filmen das Schießen beim Biathlon Massenstart der Männer in der Biathlon Arena in Zhangjiakou.
    18.02.2022. Zuschauer*innen beim Massenstart in der Biathlon Arena in Zhangjiakou.
    17.02.2022. Männer unterhalten sich an einem Tisch in der Olympic Family Lounge im National Speed Skating Oval.
    18.02.2022. Flutlicht scheint aus der Biathlon Arena in Zhangjiakou.
    17.02.2022. Ein Mann sitzt in der Media Lounge im National Speed Skating Oval.
    18.02.2022. Hotelgäste schauen den Wettbewerb im Eiskunstlauf auf einem großen Bildschirm in der Lobby vom Genting Grand an.
    17.02.2022. Lichtershow im National Speed Skating Oval beim 1000m Eisschnelllauf Finale.
    10.02.2022. Journalisten sitzen auf Massagestühlen im Pressezentrum in Zhangjiakou.
    17.02.2022. Zugschaffner begleiten die Einfahrt des Schnellzuges aus Peking am Bahnhof Taizicheng in Zhangjiakou.

  • Norwegian Woods

    Interessant: Du wirfst mir vor, mit großen Wörtern um mich zu werfen. Und konterst mit einem französischen Philosophen aus dem 18. Jahrhundert. Ich glaube, Du musst langsam mal raus aus dem loop.

    Du schreibst: “…bei minus 30°C und noch kälteren Windböen gewinnen Norweger*innen bei zwei Massenstarts vier von sechs Medaillen”. Man könnte sagen: Na und? Norwegen gewinnt halt im Langlauf. So wie die Deutschen im Rodeln. Aber da steckt ein bisschen mehr dahinter.

    Das weiß ich, weil mein Bruder sein Jahren in Oslo wohnt, inzwischen ist er sogar offiziell Norweger. Ich habe vorhin mit ihm telefoniert, er war mit seiner Familie gerade auf dem Weg in die Berge, auch zum Langlaufen, wie fast jedes Wochenende im Winter.

    Kantinenthema: Skiwachs

    Vor ein paar Jahren fand die Nordische Ski-WM in Oslo statt, gemeinsam mit hunderten Norwegern machte sich mein Bruder auf den Weg, um Kilometer im Schnee zurückzulegen (auf Skiern natürlich), um fernab des Ziels die Langläufer anzufeuern, mit Picknick und Party, irgendwo im Wald (bei Eiseskälte natürlich). Mein Bruder hat mir auch erzählt, dass es bei seiner Arbeit ein beliebtes Thema in der Kantine ist, welches Skiwachs perfekt zu welcher Region/Tageszeit/Schneesorte passt, diese Frage sorge immer für lebhafte und bisweilen hitzige Diskussionen.

    Eine meiner Lieblingsreportagen beschreibt den Job des norwegischen Chef-Wachsers (oder Wachs-Chefs?) bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang. die Fotos dazu sind auch gut. So wie Deutschland während einer Fußball-WM 80 Millionen Bundestrainer hat, sind während Olympia 5 Millionen Norweger Wachs-Experten.

    Das Schicksal der Jugendtrainerin

    2019 deckte der Journalist Bernt Jakob Oksnes von der Zeitung “Dagbladet” auf, dass manche Wachs-Arten krebserregend sind. Seine Geschichte über die Erkrankung und den Tod der Jugendtrainerin und dreifachen Mutter Toril Stokkebø war der meistgelesene Artikel der Zeitung im Jahr 2019, das ganze Land sprach über Stokkebøs Schicksal und die Rolle, die Langlauf und Skiwachs dabei gespielt haben.

    Vor ein paar Tagen hat mir mein Bruder ein Video von seinen Söhnen beim “Skilek” geschickt. Das heißt übersetzt “Skispiel”, dabei toben die Kinder herum, überwinden Hindernisse, rennen um die Wette, spielen Fangen – alles auf Langlaufski.

    This is what I talk about when I talk about Seele des Sports.

    Skilek in Oslo, Februar 2022.

  • Closed Loop Traveling

    Across the Great Wall, das klingt wie ein großes Versprechen. Das nämlich, die großen Mauern zu überwinden. So steht es auch als edle Absicht in der Beschreibung dieses Projekts, die am unteren Ende dieser Seite zu lesen ist. Habe ich dieses Versprechen eingelöst? Habe ich mich wirklich über all die Hindernisse und Begrenzungen, die Reporter*innen in Peking auferlegt wurden, hinweggesetzt? Kein bisschen, leider, aber das ist auch kein bisschen überraschend.

    Der Closed Loop, der hier mal Blase, Zelle, Matrix oder Gefängnis hieß, war wirklich perfekt abgeschlossen. So perfekt, dass vom Entkommen nicht einmal zu träumen war. Ständig und überall endet die Olympische Welt. An einer grauen Tür, einer gläsernen Wand, einem Busfenster, einer Straßenkreuzung, einer Toreinfahrt. Heute endete diese Welt ausnahmsweise auf der chinesischen Mauer. On the Great Wall sozusagen. Klingt fast schon waghalsig. Wie auf Messers Schneide, aber auch keinen Schritt weiter. No leaning, no running, safety first. Das steht warnend fast überall auf dem Juyong Pass, den ich heute besuchen konnte.

    Vom Medienzentrum in Peking wurden etwa 40 schaulustige Reporter*innen in zwei Bussen dorthin gefahren. Der Mauerteil, den wir besuchten, ist eines der beliebtesten Touristenziele in China. Die Polizei hat eine Autobahn blockiert, damit wir freie Fahrt haben. Im Ausflugsplateau wurden alle Touristenshops geschlossen. Neben der eigentlichen Toilette wurde eine weitere, temporäre Toilette nur für uns errichtet. Closed Loop traveling.

    Schließlich steigen wir die 700 Jahre alten Treppen aus der Zeit der Ming-Dynastie hinauf, unter denen die unzähligen Arbeiter, die beim Bau starben, begraben liegen. So erzählt es mir zumindest eine Tourbegleiterin und konstatiert fast ironisch im Zwiegespräch: “Schlecht für die Menschen, gut für den Staat”. Einige Reporter*innen nutzen die Kulisse für einen letzten Aufsager. “Die Spiele in Peking begannen mit Diskussionen um Chinas Menschenrechtsverletzungen und enden mit einem Dopingskandal”, sagt ein Brite in die Kamera, als hätte er das schon mindestens zwei Dutzend Mal getan. Direkt daneben machen seine Mitstreiter glückliche Selfie-Fotos mit Premium-Panorama. In einer Ecke liegt fast vom Schnee bedeckt ein Schild. “The most beautiful scenery is waiting for you ahead”, steht darauf geschrieben.

    19.02.2022. Bustour für Olympia-Journalist*innen zum Juyong Pass der Chinesischen Mauer.
    19.02.2022. Bustour für Olympia-Journalist*innen zum Juyong Pass der Chinesischen Mauer.
    19.02.2022. Bustour für Olympia-Journalist*innen zum Juyong Pass der Chinesischen Mauer.
    19.02.2022. Bustour für Olympia-Journalist*innen zum Juyong Pass der Chinesischen Mauer.
    19.02.2022. Bustour für Olympia-Journalist*innen zum Juyong Pass der Chinesischen Mauer.
    19.02.2022. Bustour für Olympia-Journalist*innen zum Juyong Pass der Chinesischen Mauer.
    19.02.2022. Bustour für Olympia-Journalist*innen zum Juyong Pass der Chinesischen Mauer.

    Ich bin ratlos, was den Umgang mit Mauern angeht. Besonders mit denen, die mich hier in Peking seit drei Wochen von allen Seiten umgeben. Immer wieder denke ich an meine Heimatstadt, die mit Mauern mehr als genug Erfahrung gemacht hat. Eine der besten Ideen, die Künstler*innen in der DDR wohl jemals hatten, war es, die Mauer einfach zu bemalen. Ihr Werk ist noch heute an der East Side Gallery zu bestaunen. Die Berliner Mauer wurde so ohne jede Gewalttat von einem Hindernis, das Sicht und Weg versperrt, in eine Galerie umgewandelt, die den Horizont erweitert. Das bringt mich auf eine Idee. Ich könnte die unzähligen Absperrungen der Olympischen Blase mit meinen Bildern behängen und dadurch in eine Art Closed Loop Gallery verwandeln. Was meinst du dazu, lieber Lars?

    19.02.2022. Closed Loop-Absperrung im Main Media Center.
    19.02.2022. Closed Loop-Absperrung auf der Straße vor dem National Aquatics Centre.
    19.02.2022. Closed Loop-Absperrung im National Aquatics Centre.
    18.02.2022. Closed Loop-Absperrung in der Biathlon Arena in Zhangjiakou.
    17.02.2022. Closed Loop-Absperrung im Wukesong Sports Center.
    19.02.2022. Closed Loop-Absperrung im National Aquatics Centre.
    16.02.2022. Closed Loop-Absperrung an der Skilanglauf-Arena in Zhangjiakou.
    06.02.2022. Closed Loop-Absperrung im Bahnhof Qinghe.
    17.02.2022. Closed Loop-Absperrung im Wukesong Sports Center.
    14.02.2022. Closed Loop-Absperrung auf der Straße vor dem Olympiastadion.
    04.02.2022. Closed Loop-Absperrung auf einem Parkplatz im Zhangjiakou Mountain Cluster.
    04.02.2022. Closed Loop-Absperrung am Main Media Center.
    04.02.2022. Closed Loop-Absperrung am Main Media Center.

  • Zäune, Mauern, Roboter

    Lieber Sebastian, was soll man zu diesen Bildern sagen? Ein Olympia der Mauern und Zäune, wer braucht das noch? Selbst der unverbesserliche Sportromantiker in mir hat darauf keine Antwort.

    Natürlich ist Corona der Hauptgrund für den closed loop, zumindest aus der Ferne verfestigt sich aber der Eindruck, dass Gastgeber China – und dem IOC – diese Art der Spiele ohnehin am liebsten waren: schön steril, rundum überwacht, komplett unter Kontrolle.

    Die Stadt da draußen

    Bei meinem bisher einzigen Besuch in China – zur Leichtathletik-WM 2015 – habe ich auch wenig von Peking gesehen. Die meiste Zeit habe ich im Stadion verbracht oder in meinem Hotelzimmer, für einen Ausflug zur Großen Mauer hatte ich keine Zeit. Aber ein paar Mal habe ich mich doch in die Stadt da draußen aufgemacht, einen Tempel besucht, bin U-Bahn gefahren, habe mir hässliche Polo-Hemden einer chinesischen Sportmarke gekauft und einen Stempel mit chinesischen Schriftzeichen aus Jade als Mitbringsel für meine Tochter.

    Natürlich ging es bei meiner Reise damals nicht um diese kleinen Ausflüge. Ich war als Reporter in Peking, nicht als Tourist.

    Als was ich aber sehr wohl da war: als Mensch.

    Und als Mensch fand ich es toll, durch riesige Wohnblocks, in deren Mitte Rentner Tischtennis spielten, zum nächsten Bahnhof zu laufen, in Restaurants über Speisekarten zu grübeln oder mit Händlern auf einem Markt nach irgendeiner Form von funktionierender Kommunikation zu suchen.

    Darum geht es doch auch bei Olympia: Begegnungen. Und – Achtung, Sportromatik – Völkerverständigung.

    Sollen sie das nächste Mal doch Robotersportler, Roboterjournalisten, Roboterzuschauer und Roboterfotografen schicken. Roboterkellner haben sie ja sowieso schon, wozu die Mühe.

  • Kunst am Bau

    Ich habe meine Idee von gestern in die Tat umgesetzt und einen abgesperrten Treppenaufgang im großen Medienzentrum in Peking mit Laserprints und Gaffa-Tape in eine kleine Closed Loop Gallery verwandelt. Direkt neben einer großen, gut frequentierten Rolltreppe hängen meine Bilder nun in Spalten und Reihen und flattern ein bisschen im Wind. Erst habe ich gedacht, die Sicherheitsleute würden sofort kommen und mich entweder gleich abführen oder wenigstens auffordern, alles sofort wieder abzunehmen. Tatsächlich hat es aber niemanden wirklich interessiert. Das ist ein bisschen schade, denn was nützt das Rebellieren gegen Mauern, wenn es unbemerkt bleibt? Nun habe ich die Fotos einfach hängen lassen und warte ab, ob etwas passiert. Vielleicht freuen sich ein paar Putzkräfte über die Bilder, vielleicht landen sie einfach irgendwann im Mülleimer. Auf jeden Fall kann ich behaupten: Ich hatte mal eine Ausstellung in Peking. Das macht mich ein bisschen stolz.

    Meine letzten olympischen Eindrücke sind vor allem von unglaublich windigem Wetter geprägt. Orkanböen haben den 30km Skilanglauf in eine eiskalte Sturmhölle verwandelt. Vor jeder Athletin, die das Ziel erreicht hat, ziehe ich meine Mütze.

    Während der Abschlussfeier am Abend bleibe ich im Medienzentrum. Ein letztes Mal möchte ich noch in den Genuss des Giga-Bildschirmes kommen, vor dem sich schon früh ein kleines Public Viewing entwickelt hat. Als Xi auf der großen Leinwand erscheint, winken einige wenige Volunteers zaghaft und ehrfürchtig zugleich. Dann folgen Show, Tanz, eine Siegerehrung und unzählige Hymnen. Vor dem abschließenden Feuerwerk gehe ich nach draußen. Ein kleiner Teil des Olympischen Parks in Stadionsichtweite ist für uns Blasenmenschen begehbar. Ein Kameramann der NBC steht neben mir. “You know what, the Queen has Covid.” Soweit sein Kommentar zur Lage der Welt. Über Olympia wissen wir uns nichts mehr zu erzählen.

    19.02.2022. Großbritannien verliert gegen Schweden beim Curling-Turnier der Männer im National Aquatics Centre.
    19.02.2022. Soldaten hissen die Flaggen der Gewinner beim Curling-Turnier der Männer im National Aquatics Centre.
    19.02.2022. Volunteers beobachten das Geschehen beim Curling-Turnier der Männer im National Aquatics Centre.
    20.02.2022. Zwei Männer bauen den Schießstand in der Biathlon Arena in Zhangjiakou wieder ab.
    20.02.2022. Angelina Shuryga (Kazachstan), Dahria Beatty (Kanada) und Jessica Yeaton (Australien) beim stürmischen 30km Massenstart der Frauen in der Skilanglauf Arena in Zhangjiakou.
    20.02.2022. Mariya Istomina (Russland) verlässt frierend den Zieleinlauf nach dem 30km Massenstart der Frauen in der Skilanglauf Arena in Zhangjiakou.
    20.02.2022. Menschen warten vor einem Souveniershop im Main Media Center.
    20.02.2022. Menschen spazieren während der Abschlussfeier im Olympischen Park gegenüber vom Main Media Center.
    20.02.2022. Mitarbeiter der Chinesischen Post stapeln Pakete im Main Media Center.
    20.02.2022. Ein Mann schläft im Main Media Center.
    20.02.2022. Fernseh-Übertragung der Abschlussfeier im Main Media Centerr.
    20.02.2022. Volunteers beobachten die Fernseh-Übertragung der Abschlussfeier im Main Media Center.
    20.02.2022. Securities sitzen während der Abschlussfeier in einem Wachthäuschen.
    20.02.2022. Securities filmen das Feuerwerk über dem Olympiastadion bei der Abschlussfeier im Olympischen Park.
    20.02.2022. Chinas Staatspräsident Xi Jingping ist in der Fernseh-Übertragung der Abschlussfeier im Main Media Center zu sehen.

    Kaum zu glauben, lieber Lars, aber es ist jetzt wirklich vorbei. Einfach so, von heute auf morgen. Das war’s dann. Zunächst in eigener Sache: Ich bin dir wirklich dankbar, denn du hast mich hier in Peking ordentlich auf Trab gehalten. Jeden Tag Bilder zu machen und dann auch noch dazu zu schreiben, ist wirklich kräftezehrend. Aber wir haben es geschafft und deine Texte haben mir sehr dabei geholfen. Und ebenso ein großes Danke an alle Spender*innen. So viel darf ich verraten: Wir sind nicht reich geworden. 😉 Aber die Spenden haben dabei geholfen, die technische Entwicklung dieses Blogs zu refinanzieren. Das ist sehr wertvoll, genauso wie der ideelle Wert, der hinter jeder Spende steht.

    Einige gute Bilder haben hier keinen Platz gefunden. Etliche aber schon, und viele mehr, als dass in jeder Zeitung der Fall sein könnte. Viele Zweifel haben in diesem Blog ihren Raum bekommen. Zweifel über falsche Bilder, über (zu) große Sportevents, über das isolierte Reporterdasein, über mich selbst. Und viele Zweifel werden bleiben. Aber auch die Zuversicht, ihnen mit Bildern und Texten jederzeit begegnen zu können. Eine Olympia-Reportage als prozessbasierte Arbeit zu veröffentlichen und nicht als abgeschlossene Serie am Ende des Projekts, ist eine besondere und spannende Herausforderung. Steht ein Beitrag, gibt es keinen Schritt zurück. Kein Zurechtschieben im Nachhinein. Es ist, was es ist und bleibt, was es war.

    Auf Wiedersehen aus Peking!

  • Letzte Bilder, letzte Wörter

    Sonntagabend, 21:54 Uhr, das dunkle Berlin draußen vor dem Fenster. Auf der Suche nach Inspiration für den Text habe ich mir gerade die Zusammenfassung der Winterspiele in der ARD-Mediathek angeschaut. 44 Minuten lang sollte der Beitrag sein, ich habe geschummelt und immer mal wieder vorgespult. Ich kann nicht sagen, dass bei mir viel von dieser Olympia-Ausgabe hängen geblieben ist.

    Holger Gertz schreibt in der “SZ” in seinem Fazit von einem “Tiefpunkt der olympischen Geschichte”, und wenn das irgendjemand beurteilen kann, dann wohl er.

    Ich könnte hier jetzt auch noch einmal kritisieren, lamentieren, verurteilen. Aber wem sollte das etwas bringen? Außerdem können andere Leute Sinn und Wahnsinn dieser Spiele besser einschätzen, zum Beispiel jemand, der die vergangenen zweieinhalb Wochen in Peking und Umgebung war.

    Ein eigenes Bild?

    Was mich zurück zu diesem Blog bringt. 40 Texte, knapp 250 Fotos. Es dauert eine ganze Weile, bis man bis ganz nach unten durchgescrollt ist, zum ersten Eintrag. Da habe ich geschrieben, es sei vielleicht wichtiger denn je, sich “ein eigenes Bild” von diesen Spielen zu machen. Ist uns das gelungen? Ich fand es jedenfalls spannend, Olympia hauptsächlich durch Deine Linse zu betrachten und mir dazu meine Gedanken zu machen.

    Als wir vorhin kurz telefoniert haben – zum ersten und letzten Mal während dieser Spiele -, klangst Du erschöpft, aber auch erleichtert, dass die ganze Sache jetzt vorbei ist, der Rückflug naht, der loop sich öffnet.

    Ich habe Dich während dieser Spiele bei RadioEins gehört und im Interview mit der FAZ gelesen. Du bist jeweils gefragt worden: “Herr Wells, haben Sie ein Lieblingsbild von diesem olympischen Winterspielen?” Du hattest keine Antwort darauf und schienst die Frage auch nicht besonders zu mögen.

    Ich glaube, ich habe meins gefunden.

    Es zeigt den Giga-Bildschirm im Media-Center, auf dem Screen ein über-überlebensgroßer russischer Shorttracker (TEAM ROC natürlich, Russland darf offiziell ja gar nicht mitmachen), dazu kryptische Angaben zum Wettkampfgeschehen in dieser Sportart, die nur alle vier Jahre in der Öffentlichkeit steht (Quarter-Final 3, Lap 8.58). Platz zwei und drei des Laufs wurden wahrscheinlich im Foto-Finish entschieden, deswegen steht neben den Namen der Eisläufer aus Kasachstan und Südkorea PHOTO PHOTO. Rechts unten auf dem Bildschirm, ganz klein, weiß auf schwarz: die Olympischen Ringe.

    Vor dem Bildschirm geht ein einsamer Mann vorbei, sein Schritt wirkt schnell, er schaut nur ganz kurz auf, ist eigentlich mit etwas ganz anderem beschäftigt. Gleich wird er seinen Blick wieder auf sein Handy richten, für mehr als einen Augenblick reicht seine Aufmerksamkeit nicht.

    Ich finde, das ist gar keine schlechte Zusammenfassung.

    13.02.2022. Ein Mann beobachtet den Wettbewerb im Short Track auf einem großen Bildschirm im Main Media Center.

    An Dich, lieber Sebastian: Danke für die tolle Idee und Deinen unermüdlichen Einsatz, gute Heimreise.


    An alle Leserinnen und Leser: Danke für die Aufmerksamkeit.

Über das Projekt

Während vom 4. bis 20. Februar in Peking die Olympischen Winterspiele ausgetragen werden, erzählen zwei Berliner täglich, was sie sehen und was ihnen dabei durch den Kopf geht. Sebastian Wells macht Bilder in Peking. Lars Spannagel kommentiert aus Berlin.

Der Titel dieses Projekts entstammt der ersten E-Mail, die jemals von China aus versendet wurde: „Across the Great Wall, we can reach every corner in the world“ war der Wortlaut dieser Ur-Nachricht, die am 20. September 1987 an das Karlsruhe Institute of Technology versandt wurde. Von allerlei Mauern und Hindernissen in Peking, Berlin und auf dem Weg dazwischen und davon, wie man sie überwindet, erzählen Sebastian Wells und Lars Spannagel in diesem Tagebuch.

Ein Projekt von
Sebastian Wells (Peking)
Lars Spannagel (Berlin)
Kollektiv Scrollan (Design)
plue.es (Webentwicklung)

Unterstützt von
OSTKREUZ – Agentur der Fotografen
KASK & Conservatorium – School of Arts Ghent


Spenden

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Die Autoren

Sebastian Wells, Jahrgang 1996, wuchs in Eichwalde und Berlin auf, versuchte sich einst selbst als Leistungssportler und scheiterte kläglich. Seitdem ist Fotografieren seine Disziplin. Er ist seit 2019 Mitglied der Agentur OSTKREUZ und lebt gerade in Belgien, um an der Kunstakademie in Gent zu studieren. Bereits 2016, 2018 und 2021 besuchte er die Olympischen Spiele und berichtete davon in Fotokolumnen u.a. in der Berliner Zeitung und der Süddeutschen Zeitung. Er gewann bereits zweimal das VDS Sportfoto des Jahres.

Lars Spannagel, Jahrgang 1978, ist Redakteur im Tagesspiegel-Ressort Story. Zuvor berichtete er viele Jahre über Sport, unter anderem von den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro. Der gebürtige Berliner studierte Politikwissenschaft und Nordamerikastudien in Berlin, Potsdam und New York und besuchte danach die Deutsche Journalistenschule in München. Seine Reportagen wurden mehrfach ausgezeichnet. Gemeinsam mit Sebastian Wells veröffentlichte er zuletzt eine Langzeit-Reportage über die Berliner Sprinterin Lisa Marie Kwayie.