Across the Great Wall

Während vom 4. bis 20. Februar in Peking die Olympischen Winterspiele ausgetragen werden, erzählen zwei Berliner täglich, was sie sehen und was ihnen dabei durch den Kopf geht. Sebastian Wells macht Bilder in Peking. Lars Spannagel kommentiert aus Berlin.

Lars, 20. Februar

Letzte Bilder, letzte Wörter

Sonntagabend, 21:54 Uhr, das dunkle Berlin draußen vor dem Fenster. Auf der Suche nach Inspiration für den Text habe ich mir gerade die Zusammenfassung der Winterspiele in der ARD-Mediathek angeschaut. 44 Minuten lang sollte der Beitrag sein, ich habe geschummelt und immer mal wieder vorgespult. Ich kann nicht sagen, dass bei mir viel von dieser Olympia-Ausgabe hängen geblieben ist.

Holger Gertz schreibt in der “SZ” in seinem Fazit von einem “Tiefpunkt der olympischen Geschichte”, und wenn das irgendjemand beurteilen kann, dann wohl er.

Ich könnte hier jetzt auch noch einmal kritisieren, lamentieren, verurteilen. Aber wem sollte das etwas bringen? Außerdem können andere Leute Sinn und Wahnsinn dieser Spiele besser einschätzen, zum Beispiel jemand, der die vergangenen zweieinhalb Wochen in Peking und Umgebung war.

Ein eigenes Bild?

Was mich zurück zu diesem Blog bringt. 40 Texte, knapp 250 Fotos. Es dauert eine ganze Weile, bis man bis ganz nach unten durchgescrollt ist, zum ersten Eintrag. Da habe ich geschrieben, es sei vielleicht wichtiger denn je, sich “ein eigenes Bild” von diesen Spielen zu machen. Ist uns das gelungen? Ich fand es jedenfalls spannend, Olympia hauptsächlich durch Deine Linse zu betrachten und mir dazu meine Gedanken zu machen.

Als wir vorhin kurz telefoniert haben – zum ersten und letzten Mal während dieser Spiele -, klangst Du erschöpft, aber auch erleichtert, dass die ganze Sache jetzt vorbei ist, der Rückflug naht, der loop sich öffnet.

Ich habe Dich während dieser Spiele bei RadioEins gehört und im Interview mit der FAZ gelesen. Du bist jeweils gefragt worden: “Herr Wells, haben Sie ein Lieblingsbild von diesem olympischen Winterspielen?” Du hattest keine Antwort darauf und schienst die Frage auch nicht besonders zu mögen.

Ich glaube, ich habe meins gefunden.

Es zeigt den Giga-Bildschirm im Media-Center, auf dem Screen ein über-überlebensgroßer russischer Shorttracker (TEAM ROC natürlich, Russland darf offiziell ja gar nicht mitmachen), dazu kryptische Angaben zum Wettkampfgeschehen in dieser Sportart, die nur alle vier Jahre in der Öffentlichkeit steht (Quarter-Final 3, Lap 8.58). Platz zwei und drei des Laufs wurden wahrscheinlich im Foto-Finish entschieden, deswegen steht neben den Namen der Eisläufer aus Kasachstan und Südkorea PHOTO PHOTO. Rechts unten auf dem Bildschirm, ganz klein, weiß auf schwarz: die Olympischen Ringe.

Vor dem Bildschirm geht ein einsamer Mann vorbei, sein Schritt wirkt schnell, er schaut nur ganz kurz auf, ist eigentlich mit etwas ganz anderem beschäftigt. Gleich wird er seinen Blick wieder auf sein Handy richten, für mehr als einen Augenblick reicht seine Aufmerksamkeit nicht.

Ich finde, das ist gar keine schlechte Zusammenfassung.

13.02.2022. Ein Mann beobachtet den Wettbewerb im Short Track auf einem großen Bildschirm im Main Media Center.

An Dich, lieber Sebastian: Danke für die tolle Idee und Deinen unermüdlichen Einsatz, gute Heimreise.


An alle Leserinnen und Leser: Danke für die Aufmerksamkeit.

Kunst am Bau

Kunst am Bau

Ich habe meine Idee von gestern in die Tat umgesetzt und einen abgesperrten Treppenaufgang im großen Medienzentrum in Peking mit Laserprints und Gaffa-Tape in eine kleine Closed Loop Gallery verwandelt. Direkt neben einer großen, gut frequentierten Rolltreppe hängen meine Bilder nun in Spalten und Reihen und flattern ein bisschen im Wind. Erst habe ich gedacht, die Sicherheitsleute würden sofort kommen und mich entweder gleich abführen oder wenigstens auffordern, alles sofort wieder abzunehmen. Tatsächlich hat es aber niemanden wirklich interessiert. Das ist ein bisschen schade, denn was nützt das Rebellieren gegen Mauern, wenn es unbemerkt bleibt? Nun habe ich die Fotos einfach hängen lassen und warte ab, ob etwas passiert. Vielleicht freuen sich ein paar Putzkräfte über die Bilder, vielleicht landen sie einfach irgendwann im Mülleimer. Auf jeden Fall kann ich behaupten: Ich hatte mal eine Ausstellung in Peking. Das macht mich ein bisschen stolz.

Meine letzten olympischen Eindrücke sind vor allem von unglaublich windigem Wetter geprägt. Orkanböen haben den 30km Skilanglauf in eine eiskalte Sturmhölle verwandelt. Vor jeder Athletin, die das Ziel erreicht hat, ziehe ich meine Mütze.

Während der Abschlussfeier am Abend bleibe ich im Medienzentrum. Ein letztes Mal möchte ich noch in den Genuss des Giga-Bildschirmes kommen, vor dem sich schon früh ein kleines Public Viewing entwickelt hat. Als Xi auf der großen Leinwand erscheint, winken einige wenige Volunteers zaghaft und ehrfürchtig zugleich. Dann folgen Show, Tanz, eine Siegerehrung und unzählige Hymnen. Vor dem abschließenden Feuerwerk gehe ich nach draußen. Ein kleiner Teil des Olympischen Parks in Stadionsichtweite ist für uns Blasenmenschen begehbar. Ein Kameramann der NBC steht neben mir. “You know what, the Queen has Covid.” Soweit sein Kommentar zur Lage der Welt. Über Olympia wissen wir uns nichts mehr zu erzählen.

19.02.2022. Großbritannien verliert gegen Schweden beim Curling-Turnier der Männer im National Aquatics Centre.
19.02.2022. Soldaten hissen die Flaggen der Gewinner beim Curling-Turnier der Männer im National Aquatics Centre.
19.02.2022. Volunteers beobachten das Geschehen beim Curling-Turnier der Männer im National Aquatics Centre.
20.02.2022. Zwei Männer bauen den Schießstand in der Biathlon Arena in Zhangjiakou wieder ab.
20.02.2022. Angelina Shuryga (Kazachstan), Dahria Beatty (Kanada) und Jessica Yeaton (Australien) beim stürmischen 30km Massenstart der Frauen in der Skilanglauf Arena in Zhangjiakou.
20.02.2022. Mariya Istomina (Russland) verlässt frierend den Zieleinlauf nach dem 30km Massenstart der Frauen in der Skilanglauf Arena in Zhangjiakou.
20.02.2022. Menschen warten vor einem Souveniershop im Main Media Center.
20.02.2022. Menschen spazieren während der Abschlussfeier im Olympischen Park gegenüber vom Main Media Center.
20.02.2022. Mitarbeiter der Chinesischen Post stapeln Pakete im Main Media Center.
20.02.2022. Ein Mann schläft im Main Media Center.
20.02.2022. Fernseh-Übertragung der Abschlussfeier im Main Media Centerr.
20.02.2022. Volunteers beobachten die Fernseh-Übertragung der Abschlussfeier im Main Media Center.
20.02.2022. Securities sitzen während der Abschlussfeier in einem Wachthäuschen.
20.02.2022. Securities filmen das Feuerwerk über dem Olympiastadion bei der Abschlussfeier im Olympischen Park.
20.02.2022. Chinas Staatspräsident Xi Jingping ist in der Fernseh-Übertragung der Abschlussfeier im Main Media Center zu sehen.

Kaum zu glauben, lieber Lars, aber es ist jetzt wirklich vorbei. Einfach so, von heute auf morgen. Das war’s dann. Zunächst in eigener Sache: Ich bin dir wirklich dankbar, denn du hast mich hier in Peking ordentlich auf Trab gehalten. Jeden Tag Bilder zu machen und dann auch noch dazu zu schreiben, ist wirklich kräftezehrend. Aber wir haben es geschafft und deine Texte haben mir sehr dabei geholfen. Und ebenso ein großes Danke an alle Spender*innen. So viel darf ich verraten: Wir sind nicht reich geworden. 😉 Aber die Spenden haben dabei geholfen, die technische Entwicklung dieses Blogs zu refinanzieren. Das ist sehr wertvoll, genauso wie der ideelle Wert, der hinter jeder Spende steht.

Einige gute Bilder haben hier keinen Platz gefunden. Etliche aber schon, und viele mehr, als dass in jeder Zeitung der Fall sein könnte. Viele Zweifel haben in diesem Blog ihren Raum bekommen. Zweifel über falsche Bilder, über (zu) große Sportevents, über das isolierte Reporterdasein, über mich selbst. Und viele Zweifel werden bleiben. Aber auch die Zuversicht, ihnen mit Bildern und Texten jederzeit begegnen zu können. Eine Olympia-Reportage als prozessbasierte Arbeit zu veröffentlichen und nicht als abgeschlossene Serie am Ende des Projekts, ist eine besondere und spannende Herausforderung. Steht ein Beitrag, gibt es keinen Schritt zurück. Kein Zurechtschieben im Nachhinein. Es ist, was es ist und bleibt, was es war.

Auf Wiedersehen aus Peking!

Lars, 19. Februar

Zäune, Mauern, Roboter

Lieber Sebastian, was soll man zu diesen Bildern sagen? Ein Olympia der Mauern und Zäune, wer braucht das noch? Selbst der unverbesserliche Sportromantiker in mir hat darauf keine Antwort.

Natürlich ist Corona der Hauptgrund für den closed loop, zumindest aus der Ferne verfestigt sich aber der Eindruck, dass Gastgeber China – und dem IOC – diese Art der Spiele ohnehin am liebsten waren: schön steril, rundum überwacht, komplett unter Kontrolle.

Die Stadt da draußen

Bei meinem bisher einzigen Besuch in China – zur Leichtathletik-WM 2015 – habe ich auch wenig von Peking gesehen. Die meiste Zeit habe ich im Stadion verbracht oder in meinem Hotelzimmer, für einen Ausflug zur Großen Mauer hatte ich keine Zeit. Aber ein paar Mal habe ich mich doch in die Stadt da draußen aufgemacht, einen Tempel besucht, bin U-Bahn gefahren, habe mir hässliche Polo-Hemden einer chinesischen Sportmarke gekauft und einen Stempel mit chinesischen Schriftzeichen aus Jade als Mitbringsel für meine Tochter.

Natürlich ging es bei meiner Reise damals nicht um diese kleinen Ausflüge. Ich war als Reporter in Peking, nicht als Tourist.

Als was ich aber sehr wohl da war: als Mensch.

Und als Mensch fand ich es toll, durch riesige Wohnblocks, in deren Mitte Rentner Tischtennis spielten, zum nächsten Bahnhof zu laufen, in Restaurants über Speisekarten zu grübeln oder mit Händlern auf einem Markt nach irgendeiner Form von funktionierender Kommunikation zu suchen.

Darum geht es doch auch bei Olympia: Begegnungen. Und – Achtung, Sportromatik – Völkerverständigung.

Sollen sie das nächste Mal doch Robotersportler, Roboterjournalisten, Roboterzuschauer und Roboterfotografen schicken. Roboterkellner haben sie ja sowieso schon, wozu die Mühe.

Closed Loop Traveling

Closed Loop Traveling

Across the Great Wall, das klingt wie ein großes Versprechen. Das nämlich, die großen Mauern zu überwinden. So steht es auch als edle Absicht in der Beschreibung dieses Projekts, die am unteren Ende dieser Seite zu lesen ist. Habe ich dieses Versprechen eingelöst? Habe ich mich wirklich über all die Hindernisse und Begrenzungen, die Reporter*innen in Peking auferlegt wurden, hinweggesetzt? Kein bisschen, leider, aber das ist auch kein bisschen überraschend.

Der Closed Loop, der hier mal Blase, Zelle, Matrix oder Gefängnis hieß, war wirklich perfekt abgeschlossen. So perfekt, dass vom Entkommen nicht einmal zu träumen war. Ständig und überall endet die Olympische Welt. An einer grauen Tür, einer gläsernen Wand, einem Busfenster, einer Straßenkreuzung, einer Toreinfahrt. Heute endete diese Welt ausnahmsweise auf der chinesischen Mauer. On the Great Wall sozusagen. Klingt fast schon waghalsig. Wie auf Messers Schneide, aber auch keinen Schritt weiter. No leaning, no running, safety first. Das steht warnend fast überall auf dem Juyong Pass, den ich heute besuchen konnte.

Vom Medienzentrum in Peking wurden etwa 40 schaulustige Reporter*innen in zwei Bussen dorthin gefahren. Der Mauerteil, den wir besuchten, ist eines der beliebtesten Touristenziele in China. Die Polizei hat eine Autobahn blockiert, damit wir freie Fahrt haben. Im Ausflugsplateau wurden alle Touristenshops geschlossen. Neben der eigentlichen Toilette wurde eine weitere, temporäre Toilette nur für uns errichtet. Closed Loop traveling.

Schließlich steigen wir die 700 Jahre alten Treppen aus der Zeit der Ming-Dynastie hinauf, unter denen die unzähligen Arbeiter, die beim Bau starben, begraben liegen. So erzählt es mir zumindest eine Tourbegleiterin und konstatiert fast ironisch im Zwiegespräch: “Schlecht für die Menschen, gut für den Staat”. Einige Reporter*innen nutzen die Kulisse für einen letzten Aufsager. “Die Spiele in Peking begannen mit Diskussionen um Chinas Menschenrechtsverletzungen und enden mit einem Dopingskandal”, sagt ein Brite in die Kamera, als hätte er das schon mindestens zwei Dutzend Mal getan. Direkt daneben machen seine Mitstreiter glückliche Selfie-Fotos mit Premium-Panorama. In einer Ecke liegt fast vom Schnee bedeckt ein Schild. “The most beautiful scenery is waiting for you ahead”, steht darauf geschrieben.

19.02.2022. Bustour für Olympia-Journalist*innen zum Juyong Pass der Chinesischen Mauer.
19.02.2022. Bustour für Olympia-Journalist*innen zum Juyong Pass der Chinesischen Mauer.
19.02.2022. Bustour für Olympia-Journalist*innen zum Juyong Pass der Chinesischen Mauer.
19.02.2022. Bustour für Olympia-Journalist*innen zum Juyong Pass der Chinesischen Mauer.
19.02.2022. Bustour für Olympia-Journalist*innen zum Juyong Pass der Chinesischen Mauer.
19.02.2022. Bustour für Olympia-Journalist*innen zum Juyong Pass der Chinesischen Mauer.
19.02.2022. Bustour für Olympia-Journalist*innen zum Juyong Pass der Chinesischen Mauer.

Ich bin ratlos, was den Umgang mit Mauern angeht. Besonders mit denen, die mich hier in Peking seit drei Wochen von allen Seiten umgeben. Immer wieder denke ich an meine Heimatstadt, die mit Mauern mehr als genug Erfahrung gemacht hat. Eine der besten Ideen, die Künstler*innen in der DDR wohl jemals hatten, war es, die Mauer einfach zu bemalen. Ihr Werk ist noch heute an der East Side Gallery zu bestaunen. Die Berliner Mauer wurde so ohne jede Gewalttat von einem Hindernis, das Sicht und Weg versperrt, in eine Galerie umgewandelt, die den Horizont erweitert. Das bringt mich auf eine Idee. Ich könnte die unzähligen Absperrungen der Olympischen Blase mit meinen Bildern behängen und dadurch in eine Art Closed Loop Gallery verwandeln. Was meinst du dazu, lieber Lars?

19.02.2022. Closed Loop-Absperrung im Main Media Center.
19.02.2022. Closed Loop-Absperrung auf der Straße vor dem National Aquatics Centre.
19.02.2022. Closed Loop-Absperrung im National Aquatics Centre.
18.02.2022. Closed Loop-Absperrung in der Biathlon Arena in Zhangjiakou.
17.02.2022. Closed Loop-Absperrung im Wukesong Sports Center.
19.02.2022. Closed Loop-Absperrung im National Aquatics Centre.
16.02.2022. Closed Loop-Absperrung an der Skilanglauf-Arena in Zhangjiakou.
06.02.2022. Closed Loop-Absperrung im Bahnhof Qinghe.
17.02.2022. Closed Loop-Absperrung im Wukesong Sports Center.
14.02.2022. Closed Loop-Absperrung auf der Straße vor dem Olympiastadion.
04.02.2022. Closed Loop-Absperrung auf einem Parkplatz im Zhangjiakou Mountain Cluster.
04.02.2022. Closed Loop-Absperrung am Main Media Center.
04.02.2022. Closed Loop-Absperrung am Main Media Center.

Lars, 18. Februar

Norwegian Woods

Interessant: Du wirfst mir vor, mit großen Wörtern um mich zu werfen. Und konterst mit einem französischen Philosophen aus dem 18. Jahrhundert. Ich glaube, Du musst langsam mal raus aus dem loop.

Du schreibst: “…bei minus 30°C und noch kälteren Windböen gewinnen Norweger*innen bei zwei Massenstarts vier von sechs Medaillen”. Man könnte sagen: Na und? Norwegen gewinnt halt im Langlauf. So wie die Deutschen im Rodeln. Aber da steckt ein bisschen mehr dahinter.

Das weiß ich, weil mein Bruder sein Jahren in Oslo wohnt, inzwischen ist er sogar offiziell Norweger. Ich habe vorhin mit ihm telefoniert, er war mit seiner Familie gerade auf dem Weg in die Berge, auch zum Langlaufen, wie fast jedes Wochenende im Winter.

Kantinenthema: Skiwachs

Vor ein paar Jahren fand die Nordische Ski-WM in Oslo statt, gemeinsam mit hunderten Norwegern machte sich mein Bruder auf den Weg, um Kilometer im Schnee zurückzulegen (auf Skiern natürlich), um fernab des Ziels die Langläufer anzufeuern, mit Picknick und Party, irgendwo im Wald (bei Eiseskälte natürlich). Mein Bruder hat mir auch erzählt, dass es bei seiner Arbeit ein beliebtes Thema in der Kantine ist, welches Skiwachs perfekt zu welcher Region/Tageszeit/Schneesorte passt, diese Frage sorge immer für lebhafte und bisweilen hitzige Diskussionen.

Eine meiner Lieblingsreportagen beschreibt den Job des norwegischen Chef-Wachsers (oder Wachs-Chefs?) bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang. die Fotos dazu sind auch gut. So wie Deutschland während einer Fußball-WM 80 Millionen Bundestrainer hat, sind während Olympia 5 Millionen Norweger Wachs-Experten.

Das Schicksal der Jugendtrainerin

2019 deckte der Journalist Bernt Jakob Oksnes von der Zeitung “Dagbladet” auf, dass manche Wachs-Arten krebserregend sind. Seine Geschichte über die Erkrankung und den Tod der Jugendtrainerin und dreifachen Mutter Toril Stokkebø war der meistgelesene Artikel der Zeitung im Jahr 2019, das ganze Land sprach über Stokkebøs Schicksal und die Rolle, die Langlauf und Skiwachs dabei gespielt haben.

Vor ein paar Tagen hat mir mein Bruder ein Video von seinen Söhnen beim “Skilek” geschickt. Das heißt übersetzt “Skispiel”, dabei toben die Kinder herum, überwinden Hindernisse, rennen um die Wette, spielen Fangen – alles auf Langlaufski.

This is what I talk about when I talk about Seele des Sports.

Skilek in Oslo, Februar 2022.

Die Seele des Sports ist unantastbar

Die Seele des Sports ist unantastbar

Die Seele des Sports also. Nun holst du aber die großen Wörter raus. Die Seele des Sports klingt pathetisch, fast religiös erhaben. Frei nach Artikel 1: Die Seele des Sports ist unantastbar. Womöglich steht das schon in der IOC Charter, und wenn nicht, hat das bestimmt irgendjemand schon mal gesagt. Ich habe heute immer wieder an diese Wörter gedacht. Ich weiß zwar nicht, ob der Sport eine Seele hat, aber ich lege mich fest: Man kann sie nicht sehen. Zumindest habe ich sie heute nicht gefunden. Aber mir ist Guillaume Martin wieder in den Sinn gekommen. Er ist Radprofi und Philosoph, keine schlechte Kombi. Radfahren ist für Martin ein absurdes Unterfangen. Man trifft sich mit anderen Mitstreitern an einer Startlinie und fährt dann einen Rundkurs, um wieder am selben Ort anzugelangen. Es ist “ein Kreislauf, der sich selbst erschafft und sich seinen eigenen Sinn verleiht”. Nach der Seele des Sports zu suchen ist vermutlich ebenso absurd wie mit dem Fahrrad im Kreis zu fahren, aber vielleicht liegt genau in dieser Absurdität die eigentliche Daseinsberechtigung. Übrigens ist Martin auch ein Vertreter von La Mettrie, einem weiteren französischen Philosophen, der Mitte des 18. Jahrhunderts den bis heute verbreiteten Dualismus aus Leib und Seele abstritt mit einem Buch, dessen Name Programm ist: Der Mensch, eine Maschine. Das scheint nicht wirklich für eine Seele des Sports zu sprechen – oder gerade doch?

Der Tag im Schnelldurchlauf: Eileen Gu gewinnt schon wieder Gold, diesmal in der Halfpipe, und erzählt wie immer in bester PR-Manier, dass sie Jugendliche auf die Skier bringen will. Talent sei nicht bedeutsam, mit Fleiß erreiche man alles. Auf die Frage nach der Seele des Sports hätte sich sicher auch eine gute Floskel parat. Und bei minus 30°C und noch kälteren Windböen gewinnen Norweger*innen bei zwei Massenstarts vier von sechs Medaillen. Danach: Erste Verabschiedungen mit Kolleg*innen. Volunteers wollen Selfies mit mir machen. Das mongolische Fernsehen bittet mich um ein Interview und fragt, wie ich den Kaffe in Peking finde. Nicht gut übrigens. Und ich sitze beim Schreiben dieses Textes erschöpft vor einem Bildschirm im Genting Grand, dessen Fußboden ebenfalls mit einem Bildschirm ausgestattet ist, der Strandanimationen zeigt. Es bleibt absurd, so viel ist klar.

18.02.2022. Ski Freestyle Finale der Frauen in der Halfpipe im Genting Snow Park.
18.02.2022. Ein Mann hält eine chinesische Flagge in der Hand, während seine Kollegen das Podest der Siegerehrung nach dem Ski Freestyle Finale der Frauen in der Halfpipe im Genting Snow Park aufräumen.
18.02.2022. Volunteers wollen Eileen Ailing Gu (China) sehen beim Ski Freestyle Finale in der Halfpipe im Genting Snow Park.
18.02.2022. Volunteers bringen Sebastian Samuelsson (Schweden) Zeitmessgeräte an vor dem Massenstart in der Biathlon Arena in Zhangjiakou.
18.02.2022. Kameramänner vom OBS filmen das Schießen beim Biathlon Massenstart der Männer in der Biathlon Arena in Zhangjiakou.
18.02.2022. Zuschauer*innen beim Massenstart in der Biathlon Arena in Zhangjiakou.
17.02.2022. Männer unterhalten sich an einem Tisch in der Olympic Family Lounge im National Speed Skating Oval.
18.02.2022. Flutlicht scheint aus der Biathlon Arena in Zhangjiakou.
17.02.2022. Ein Mann sitzt in der Media Lounge im National Speed Skating Oval.
18.02.2022. Hotelgäste schauen den Wettbewerb im Eiskunstlauf auf einem großen Bildschirm in der Lobby vom Genting Grand an.
17.02.2022. Lichtershow im National Speed Skating Oval beim 1000m Eisschnelllauf Finale.
10.02.2022. Journalisten sitzen auf Massagestühlen im Pressezentrum in Zhangjiakou.
17.02.2022. Zugschaffner begleiten die Einfahrt des Schnellzuges aus Peking am Bahnhof Taizicheng in Zhangjiakou.

Lars, 17. Februar

Unterschätzt: die eigenen Augen

Dein Text erinnert mich an eine Szene, die ich mal im Fußballstadion in München erlebt habe (zumindest habe ich sie so in Erinnerung, es ist eine Weile her). Der FC Bayern spielte gegen irgendwen, ich saß auf der Pressetribüne, umgeben von FCB-Berichterstattern und Fußballexperten (ich meine das nicht despektierlich, die Kollegen hatten wirklich 100 mal mehr Ahnung als ich).

Im Spiel kam es zu einer strittigen Szene, ein Foul an der Strafraumgrenze, eine hauchdünne Abseitsentscheidung, irgendwie sowas. Einer der Reporter, er war eine Art Taktik-Experte einer renommierten Münchner Tageszeitung mit nationaler Verbreitung, starrte lange auf das Spielfeld, dann auf einen der kleinen Bildschirme, die in den Reihen der Pressetribüne angebracht waren. Aber auch diese etwa DinA4-großen Screens konnten ihm nicht die definitive Erklärung geben, die er dringend für seinen Spielbericht brauchte.

Ich konnte förmlich sehen, wie es in ihm arbeitete: Einerseits wollte er seinen Arbeitsplatz nicht verlassen, andererseits MUSSTE er einfach wissen, ob der Schiedsrichter falsch oder richtig gelegen hatte. Mit einem Fluch sprang er schließlich auf und rannte in einen angrenzenden Presseraum, in dem ein größerer Bildschirm hing.

Um zu erkennen, was auf dem Rasen passiert war, musste er dem Rasen den Rücken kehren.

Kameras konzentrieren sich meist auf die Sieger

Trotz dieser Episode und trotz des Streaming-Lobgesangs des IOC: Ich halte es für unerlässlich, dass Reporter und Reporterinnen selbst ins Stadion gehen. Dort gibt es vielleicht keine Superzeitlupen, dafür kann man seine eigenen Augen benutzen. Zum Beispiel, um nicht nur die Spitzengruppe im Blick zu behalten. Oder um bei einer Basketballpartie zu beobachten, mit welchem Gesichtsausdruck ein ausgewechselter Spieler auf der Bank Platz nimmt. Die Kameras konzentrieren sich außerdem meist auf die Sieger, die Besiegten finde ich aber oft viel spannender.

Diese Olympischen Spiele habe ich kaum einmal klassisch am Fernseher verfolgt. Was ich mir anschaue, sind oftmals Schnipsel, Wettkampf-Zusammenfassungen, das “Beste vom Tag”. Insofern weiß ich Streaming durchaus zu schätzen. Aber es ist, wie Du schreibst: Die Präsentation bekommt dadurch etwas Videospiel-artiges. Der Schnee staubt in Slow-Motion, die Pirouette wirkt in Großaufnahme unwirklich.

Das Gefühl ist weg

Die Pandemie hat uns das Live-Gefühl geraubt. Es ist so viel bequemer, Sport von der Couch zu verfolgen, on demand. Ich hoffe aber wirklich, dass bald eine Zeit anbricht, in der ich wieder mit Freude in ein Stadion oder eine Sporthalle gehe. Kein Highlight-Schnipsel kann die Dramaturgie ersetzen, die ein komplettes Spiel oder ein kompletter Wettkampf erzeugt.

Das hat natürlich mit Nostalgie zu tun, aber auch mit etwas, das ich hochtrabend “Seele des Sports” nennen würde. Es geht eben nicht nur um den Zielsprint, die perfekte Landung, das entscheidende Tor. Das Vorher, das Nachher, das drumherum – das alles ist mindestens genauso wichtig.

Streaming Olympics

Streaming Olympics

Wo du schon von Plot-Plänen sprichst, lieber Lars, habe ich den passenden Agenten für dich. Timo Lumme, Fernseh- und Marketingdirektor beim IOC, verkündete kürzlich stolz auf einer Pressekonferenz, dass diese Olympischen Spiele, die er “Streaming Olympics” nennt, bereits von 600.000.000 Menschen in China im Fernsehen gesehen worden seien. Sechs – Hundert – Millionen. Das ist mehr, als die Gesamtbevölkerung der Europäischen Union. Zum Vergleich: Ein Sprecher von acrossthegreatwall.de verkündete kürzlich auf einer Pressekonferenz, das dieser Blog bereits von 3.000 Menschen angeschaut wurde. Drei – Tausend. Das sind mehr Menschen als in – lassen wir das lieber. Experten gehen allerdings davon aus, dass diese Zahlen in den nächsten Tagen noch deutlich steigen werden. Zurück zu Lumme: Zusammengerechnet sei die Anzahl der insgesamt konsumierten Fernsehstunden bereits jetzt höher als bei den vergangenen beiden Winterspielen in Sochi und Pyeongchang zusammen. Gratuliere, Timo, hast du gut gemacht!

Und du kannst mich auch noch dazuzählen, denn im Grunde beobachte ich sogar vor Ort in den Arenen einen Großteil der Wettbewerbe über Live-Übertragungen auf Bildschirmen. Das ist überaus praktisch. Denn die Sportler*innen sind in der Regel meilenweit von mir entfernt. Wenn sich doch mal eine Skifahrerin nähert, verschwindet sie gleich wieder hinter der nächsten Kurve. Der Bildschirm hingegen steht immer am selben Fleck, liefert zuverlässig knackscharfe Bilder vom jeweiligen Rennen und blendet ganz automatisch auch noch sämtliche Infos ein. Und es ist spektakulär. Neulich beim Snowboard-Cross fuhren fast alle Fahrer mit einer Helm-Kamera. Immer, wenn einer von ihnen stürzte, wurde das Bild dieser Kamera eingeblendet. Wie SciFi, nur besser. Dazu sind in fast jeder Wettkampfstätte hunderte Kameras in einem Ring aufgebaut, die in Echtzeit 360°-Animationen vom Absprung im Skispringen oder der vierfachen Pirouette im Eiskunstlauf liefern. Kein modernes Videospiel kann bei diesem Anblick mithalten.

Harry Gruyaert, ein belgischer Magnum-Fotograf, hat die Dominanz des Mediums Fernsehen schon in den 70ern klug kommentiert. Bei den Olympischen Spielen 1972 in München saß er gemütlich vor seinem heimischen Fernseher und fotografierte den damals noch flimmernden Röhrenbildschirm. Seine Bilder sind großartig. Kein Expressionist hätte das besser malen können.

Heute stehe ich vor einem 8K-Fernseher im Main Media Center, dessen Abmessungen knapp 10×15 Meter betragen dürften. Man kann an ihn bis auf wenige Schritte Entfernung herantreten und sieht noch immer ein scharfes Bild, auch wenn man den Bildschirm dann gar nicht mehr überblicken kann, sondern an Details hängen bleibt – von Kratzern im Eis, gefrorenen Augenbrauen und Skistöcken im Schnee. Mit ihrer Technik ist das Fernsehen dem Sport selbst längst überlegen. Die Körper aus Fleisch und Blut sind biologisch limitiert, doch die Kameras aus Linsen und Microchips werden immer besser. The medium is the message.

Gerne würde ich Timo Lumme fragen, wie er es mit der Fotografie hält. Ob er manchmal, wie Peter Schols, die stehenden Bilder bewegender findet als die bewegten. Warum das IOC überhaupt noch so viele Fotograf*innen zu ihren Events lässt. Sie haben es eigentlich nicht nötig.

13.02.2022. Ein Mann beobachtet den Wettbewerb im Short Track auf einem großen Bildschirm im Main Media Center.
16.02.2022. Ein Kameramann filmt bei den Siegerehrungen auf dem Medals Plaza in Zhangjiakou.
15.02.2022. Ein Bildschirm zeigt einen Wettbewerb im Eisschnellauf in der Bahnstation Quinqe.
12.02.2022. Kameramänner präparieren eine Kamera beim Ski Langlauf im Ski Cross Center in Zhangjiakou.
12.02.2022. Ein Bildschirm steht im Zieleinlauf beim Snowboard Cross im Genting Snow Park.
08.02.2022. Ein Fahrer vom Olympic Broadcast Service sitzt auf seinem Schneemobil beim Parallel Giant Slalom im Genting Snow Park.

Trotz aller Fernseh-Furore habe ich heute dennoch wirklich tollen Sport gesehen, mit eigenen Augen und ganz unmittelbar. Beim Eishockey-Finale der Frauen zwischen Kanada und den USA saß ich gebannt hinter der Bande und habe voller Freude auf’s Eis geschaut. Der Bildschirm im Videowürfel unter dem Hallendach war ausnahmsweise völlig unnütz. Auch habe ich keine Kameras in den Helmen der Spielerinnen installiert. Ich denke, meine Bilder sind dennoch ganz gut geworden.

17.02.2022. Lichtershow vor dem Eishockey Finale der Frauen zwischen Kanada und den USA im Wukesong Sports Center.
17.02.2022. Sarah Fillier (Kanada) kämpft um den Puk beim Eishockey Finale der Frauen zwischen Kanada und den USA im Wukesong Sports Center.
17.02.2022. Volunteers öffnen den Vorhang für die Spielerinnen beim Eishockey Finale der Frauen zwischen Kanada und den USA im Wukesong Sports Center.
17.02.2022. Journalisten sitzen im Presseraum beim Eishockey Finale der Frauen zwischen Kanada und den USA im Wukesong Sports Center.
17.02.2022. Kanadische Spielerinnen jubeln Eishockey Finale der Frauen zwischen Kanada und den USA im Wukesong Sports Center.
17.02.2022. Cayla Barnes (USA) sitzt frustriert auf der Bank nach dem Eishockey Finale der Frauen zwischen Kanada und den USA im Wukesong Sports Center.
17.02.2022. Kanadische Spielerinnen feiern mit Angehörigen vor dem “Athlete Moment” Videocall nach dem Sieg beim Eishockey Finale der Frauen zwischen Kanada und den USA im Wukesong Sports Center.

Lars, 16. Februar

Kein Entkommen

Die Frage, die Du in Deinem heutigen Post aufwirfst, scheint mir eine gute Leitfrage für diese Winterspiele zu sein: Sind das echte Menschen? Oder vielleicht doch nur Schauspieler?

Natürlich ist der Kaffeeverkäufer im Media Center echt, genauso wie die Volunteers, die Sportler, die Soldaten. Aber ich habe das Gefühl, dass Deine Bilder immer surrealer werden, je länger diese Spiele dauern. Wer hat sich diese Schlafkabinen ausgedacht? Wer nutzt die freiwillig?

Der closed loop hatte ja schon von Beginn an surreale Züge, inzwischen hat er sich anscheinend zu einer Endlosschleife entwickelt, ein olympischer Albtraum, kein Entkommen.

Ein Plot für einen Film

Ich will Dir keine Angst machen, bald haben die Spiele ein Ende. Deine Fotos aber könnten auch aus einem Script zu einem Film sein. Der Plot: Ein junger Fotograf reist zu den Olympischen Spielen. Irgendwann merkt er, dass die Wettbewerbe nicht aufhören, dass jeden Tag neue Disziplinen auf dem Programm stehen, dass die Zugfahrten und Busreisen immer länger werden, die Pressekonferenzen sich wiederholen.

Auf das 50-Kilometer-Langlaufrennen folgt ein 60-Kilometer-Rennen, auf die Eiskunstlauf-Kür die Pflicht und dann noch eine Kür und dann das Kurzprogramm und ein Langprogramm und dann der Mixed-Wettbewerb. Ich stelle mir den Film ein bisschen wie “Lost in translation” vor, nur kafkaesker.

Also ich würde das gucken. Aber ich lebe ja auch nicht im closed loop.

Tee-Party, rein zufällig

Tee-Party, rein zufällig

Nach dem Eiskunstlauf im Capital Indoor Stadium war es schon spät. An diesem Ort begannen 1971 mit einer Serie von Tischtennisspielen zwischen Teams aus China und den USA die diplomatischen Beziehungen beider Länder als “Ping-Pong-Diplomacy”. Nun startete Kamila Valieva, die vielleicht doch nicht gedopte 15-Jährige aus Russland, erst um kurz vor 22 Uhr. Von dem ungeheurem Druck, der seit dem Bekanntwerden eines positiven Doping-Tests auf ihren Schultern liegen muss, ließ sie sich nicht beeindrucken und gewann das Kurzprogramm. Sobald sie auf dem Eis war, erfüllte das Surren dauerhaft gedrückter Fotokameraauslöser die Arena, bis sie nach ihrer Vorstellung wieder hinter einem Vorhang verschwand.

Ich entschied mich, auf eine dreistündige Heimfahrt mit dem Bus zu verzichten und eine Nacht im Pekinger Main Media Center zu verbringen und übernachtete in einer der Schlafkabinen, die nur mit einem WeChat Account zu öffnen sind. Im Pressezentrum herrschte eine seltsame Stimmung. Nur einige Putzkräfte sind die ganze Nacht durch am Arbeiten, sonst ist nach Mitternacht fast niemand mehr anzutreffen. In Dauerschleife laufen die TV-Aufnahmen der Bob-Wettkämpfe über die Bildschirme und mit ihnen dringen die Signaltöne unaufhörlich durch die Messehallen, die beim jedem Start im Eiskanal erklingen: Ein sanftes Pip-pip-pip-düüüüüt, das sich beinahe elegant zum Rauschen der nimmermüden Rolltreppen gesellt.

15.02.2022. Journalist*innen fahren nach dem Wettkampf im Eiskunstlaufen im Capital Indoor Stadium zum Main Media Center.
15.02.2022. Securities bewachen das Eintreffen der Zuschauer ins Capital Indoor Stadium.
15.02.2022. Blick aus dem Bus auf das Capital Indoor Stadium.
15.02.2022. Kamila Valieva (Russland) wartet auf ihren Einsatz beim Kurzprogramm im Eiskunstlaufen im Capital Indoor Stadium.
15.02.2022. Kamila Valieva (Russland) beim Kurzprogramm im Eiskunstlaufen im Capital Indoor Stadium.
15.02.2022. Ein Mann sitzt in einer Kaffee-Bar bei Nacht im Main Media Center.
15.02.2022. Eine Putzkraft fährt nachts auf einer Rolltreppe im Main Media Center.
15.02.2022. Ein Mann arbeitet nachts in einer Kaffee-Bar im Main Media Center.
15.02.2022. Schlafkabinen bei Nacht im Main Media Center.
16.02.2022. Ein Mann säubert Serviertabletts, die das Essen automatisch über ein Transportsystem in der Decke zum Gast bringen in der Dining Area im Mein Media Center.

Am nächsten morgen besuche ich vor meiner Rückfahrt in die Berge eine sogenannte virtuelle Stadtführung durch die alten Dörfer in Fujian. Treffpunkt: Ein kleiner Raum, ausgestattet mit zwei Bildschirmen, diversen Panda-Bildern an der Wand einer Hand voll Klappstühlen. Ein Kontrast zum sonst so pompös-repräsentativen Messebau des Medienzentrums, in dem sich dieser Raum befindet. Über eine aufwändig produzierte Zoom-Liveschalte präsentiert eine Moderatorin einen Ort, in dem die Zeit seit ein paar tausend Jahren stehengeblieben zu sein scheint. Menschen bauen Regenschirme aus Ölpapier, trinken Tee aus feinem Porzellan, musizieren auf uralten Flöten, arbeiten mit einzigartigen Steinstempeln und spielen mit bunten Marionetten. Dann dürfen wir, kein dutzend Gäste, Fragen stellen. “Wie viel kostet ein Öl-Papier-Schirm?”, möchte jemand wissen. “Welche Dialekte spricht man in Fujian?”, fragt ein anderer. Dann mein Einsatz. “Sind die Menschen, die wir in den Dörfern sehen, echte Einwohner oder Schauspieler?” Im Raum lachen alle, auch die Einheimischen. Die Moderatorin wirkt verlegen, nimmt sich einen Moment Bedenkzeit, und holt zur Antwort aus. “Das sind alles normale Menschen, die hier leben und auch zufällig gerade eine Tee-Party machen”, erklärt sie mit leicht ernster Miene. Ich habe mich herzlich für die Auskunft bedankt.

16.02.2022. Journalist*innen können an einer virtuellen Führung über über Zoom durch die Fujian Siedlung im Main Media Center teilnehmen.
16.02.2022. Ein Übersetzer sitzt in seiner Kabine bei der täglichen Pressekonferenz des IOC im Main Media Center.
16.02.2022. Chinesische Zuschauer*innen winken von der Brücke außerhalb des Closed Loops zu Service-Mitarbeitern innerhalb des Closed Loops an der Skilanglauf Arena in Zhangjiakou.
16.02.2022. Volunteers nehmen Ben Ogden (USA) nach dem Teamsprint im Skilanglauf in Zhangjiakou die Zeitmessgeräte ab.
16.02.2022. Ein Volunteer räumt die Streckenmarkierungen von der Strecke auf der Skilanglauf-Strecke in Zhangjiakou.
Akito Watabe (Japan) beantwortet mit einem Sicherheitsabstand Fragen von Journalist*innen in der Mixed Zone nach dem Gewinn der Bronze-Medaille in der Nordischen Kombination.
16.02.2022. Soldaten hissen die Flaggen bei den Siegerehrungen auf dem Medals Plaza in Zhangjiakou.